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Nicole Martín Medina

Gestora Cultural – Abogada/MBA

Risikomanagement, Compliance & Governance für Sinfonieorchester und andere Kulturbetriebe

Gestión de Riesgos, Compliance y Governance para orquestas sinfónicas y empresas culturales
Bild: master1305 at https://www.freepik.es/

In Zeiten negativer Schlagzeilen über Pandemien, steigende Staatsverschuldung und horrende Verluste, die den Verdacht eines unzureichenden oder gar betrügerischen Managements aufkommen lassen, muss ich immer wieder daran denken, dass es in börsennotierten Unternehmen ein System der Risikofrüherkennung und der Legal Compliance gibt. Um das Paket zu vervollständigen, fügen wir, für die Zwecke dieses neuen Artikels, auch noch die Governance hinzu.

Obwohl ich mich heute ziemlich einsam fühle, wenn ich mit Kollegen über dieses Thema spreche, war das nicht immer so.

Vor vielen Jahren arbeitete ich als Unternehmensjurist und Manager in einem der größten Tourismuskonzerne der Inseln, dessen Muttergesellschaft eine börsennotierte Aktiengesellschaft war. Das bedeutete, dass die Aktien dieses Unternehmens an verschiedenen europäischen Börsen ge- und verkauft wurden. Daher standen die Muttergesellschaft und der gesamte Konzern unter der Aufsicht einer Institution wie der spanischen CNMV – Comisión Nacional del Mercado de Valores – und aller spezifischen gesetzlichen Vorschriften, sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene, in Bezug auf Themen wie Risk Management, Compliance und Governance (im damaligen Fall noch Corporate Governance aufgrund der Größe des Konzerns).

Seinerzeit sprachen wir ständig über diese Themen, weil wir zu den Unternehmen gehören, die gesetzlich verpflichtet sind, ein Risikomanagement- und Compliance-System zu implementieren und zu leben, zusammen mit der Veröffentlichung der entsprechenden jährlichen Erklärungen xum Corporate Governance Codex.

Als ich in dieses Unternehmen eintrat, wusste ich nicht mehr über dieses Thema als die meisten meiner heutigen Kollegen im Kulturmanagement. Mit anderen Worten: Ich wusste nichts. Lachen Sie ruhig.

Das Schlimmste war, dass das Thema, wie wir es im 21. Jahrhundert verstehen, noch in den Kinderschuhen steckte und ich derjenige war, die ausgewählt wurde, um ein solches System von Grund auf neu zu entwickeln, weil deutsches Recht angewendet werden musste, da die Muttergesellschaft ihren Sitz in Deutschland hatte. Ich musste bis zum Ende des Geschäftsjahres, d. h. in weniger als sieben Monaten, die Genehmigung der Wirtschaftsprüfer sowie einen positiven Bestätigungsvermerk ohne Einschränkungen erreichten.

Das war ungefähr im Jahr 2009. Die europäischen Vorschriften hatten die Anforderungen der EU-Länder auch nach Spanien gebracht. Das Unternehmen hatte sich bereits seit einigen Jahren mit dem Thema befasst, hatte es aber nie geschafft, den uneingeschränkten Bestätigungsvermerk der Wirtschaftsprüfer im jährlichen Prüfbericht zu erhalten. Mehrere Jahre lang wurde dem Unternehmen ein negatives Zeugnis ausgestellt, weil es die Anforderungen in Bezug auf das Management von Risiken und Geschäftsgeheimnissen, die Einhaltung von Vorschriften und die Unternehmensführung nicht erfüllte.

Es gab fast keine spanische Literatur zu diesem Thema und nur wenig Literatur in deutscher Sprache. Ich suchte nach einem Buch auf Deutsch und einigen wissenschaftlichen Artikeln auf Englisch. Ich verstand zwar, worum es ging, aber es gab kein praktisches Modell, das mir erklärt hätte, was ich konkret tun sollte. Auch die Wirtschaftsprüfer konnten mir nicht wirklich weiterhelfen; die Zahl der Unternehmen, die sich damals vorbildlich mit dem Thema beschäftigten, war noch klein und sie gaben ihre Handbücher, Risikokataloge, Berichte, Protokolle, Kommunikations- und Lösungssysteme nicht so einfach weiter.

Ich gebe zu, dass es auch für mich in den ersten Tagen erstmal keinen Sinn gemacht hat. Es schien nur darum zu gehen, Formulare auszufüllen, anstatt etwas Schnelleres und Einfacheres zu tun: die Geschäftsleitung per Telefon zu informieren. Mein Enthusiasmus hielt sich in Grenzen, genau wie die meiner Kollegen aus dem Kulturmanagement, wenn ich das Thema anspreche.

Je mehr sich die strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen und für das Unternehmen entwickelte, desto mehr verstanden wir jedoch, dass es sich um eine ernste Angelegenheit handelte.

Sieben Monate, nachdem ich zum ersten Mal von diesen Problemen gehört hatte, wurde das erste von mir entwickelte System von den Wirtschaftsprüfern genehmigt. Wir erhielten die erste von vielen Zertifizierungen ohne Vorbehalte. Die nächsten sechs Jahre verbrachten wir damit, das Basismodell von 2009 zu etwas wirklich Nützlichem und Unverzichtbarem für die Gesellschaft und ihre Zweigstellen zu verbessern.

Heute plädiere ich für die Anwendung eines Risikomanagement- und Compliance-Modells (einschließlich Governance) in gemeinnützigen Unternehmen, auch wenn es keine gesetzliche Verpflichtung dazu gibt.

Das Gesetz schreibt es vielleicht nicht direkt vor, aber die meisten Kultur- und Kreativunternehmen werden zu einem großen Teil mit öffentlichen Geldern finanziert. Wer, wenn nicht diese Unternehmen, die von der Gemeinschaft der Steuerzahler unterstützt werden, sollte jegliches Geschäftsrisiko minimieren, ein rechtlich einwandfreies Management sicherstellen und gleichzeitig die ethischen und organisatorischen Mindeststandards (einschließlich Diversität und Gleichberechtigung), Werte und Verhaltensregeln einer guten Unternehmensführung sicherzustellen.

Ich würde sagen das sind doch „wir, die Unternehmen des tertiären Sektors“. Und da es kein Gesetz gibt, das uns dazu verpflichtet, verschließen wir die Augen, als ob das alles nichts für uns wäre.

Gestión de Riesgos, Compliance y Governance para orquestas sinfónicas y otras empresas culturales
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Aber dann kam da ein Virus, legte die ganze Welt lahm und niemand war darauf vorbereitet. Die Kulturunternehmen, insbesondere die Orchester und die Organisationen der darstellenden Künste – aber letztlich alle – waren wie gelähmt und hatten keine Antworten. Die Handlungsprotokolle wurden Holter die Polter aus den Rippen geschnitten. Und doch sind Epidemien, Naturkatastrophen oder klimatische Phänomene einfache Risiken im Rahmen des Risikomanagements, weil es sich um offensichtliche Risiken handelt.

Zu einer anderen Zeit sorgten Fälle von sexueller Belästigung durch Künstler oder Verwaltungsangestellte für Schlagzeilen, die eine Welle von „me-too’s“ auslösten, und niemand hatte eine angemessene Antwort. Alle äußern ihre Bestürzung, aber sonst wenig.

Es wird auch behauptet, dass das Management des einen oder anderen Kulturmanagers, das offensichtlich nicht de lege artis ist oder war, die Organisation in den Bankrott geführt hat. Es kursieren sogar Gerüchte über Fälle von betrügerischem Management, und die Unternehmen wissen natürlich auch nicht, was sie mit diesen Vorfällen anfangen sollen. In diesem Fall rufen alle nach Gerechtigkeit, aber am Ende zahlt die öffentliche Hand den Preis.

Die kulturelle und gemeinnützige Welt ist heute um Jahrzehnte im Rückstand, was die Übernahme und den Umgang mit ihrer Verantwortung angeht.

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Das grundlegende Ziel eines Risikomanagementsystems besteht darin, jedes Risiko zu vermeiden – und wenn dies nicht möglich ist, ad hoc reagieren zu können und dann mit den Folgen fertig zu werden. Compliance- und Governance-Verstöße sind potenzielle Risiken und stehen daher in direktem Zusammenhang mit dem Risikomanagement.

Denn schließlich ist Vertrauen gut, aber … bis der Schaden eingetreten ist.

Die Uhr tickt, lassen Sie uns mal Hand anlegen…..

 

Um was geht es hier eigentlich genau?

 

Definition von Risikomanagement

Unternehmensführung ist ohne Risiken nicht denkbar, zumal bestimmte Folgen unternehmerischen Handelns oder Unterlassens oft nicht eindeutig vorhersehbar sind. Nach der Definition des Gabler Wirtschaftslexikons[1] „hat das Risikomanagement die Aufgabe, durch geeignete Methoden Transparenz über die Risikosituation im Unternehmen zu schaffen (Risikokontrolle) und das Risiko-Rendite-Profil eines Unternehmens zu optimieren (Risikomanagement)“.

Das Risikomanagement zielt darauf ab, das Insolvenzrisiko für die Entscheidungsträger bzw. Eigentümer zu begrenzen, um eine akzeptable Volatilität der Erträge zu erreichen. Gleichzeitig liefert es wichtige Informationen für das Controlling und minimiert Abweichungen von Planung und Budget. Schließlich gilt die Bewertung von Chancen und Risiken als unverzichtbare Grundlage für unternehmerische Entscheidungen.

 

Definition von Compliance

Der Begriff Compliance bezieht sich auf die Einhaltung von Gesetzen und Vorschriften. Ein Compliance-System zielt darauf ab, bestimmte Geschäftsrisiken im Rahmen der Risikokontrolle und des Risikomanagements zu minimieren. Ein Rechtsverstoß ist immer ein Geschäftsrisiko, daher die Verbindung zwischen den beiden Kontrollsystemen.

Compliance ist ein Begriff, der ursprünglich aus der Bankenwelt stammt und für Fragen des Insiderhandels, des Monopols und der Korruption gedacht war. In den letzten Jahrzehnten hat er sich jedoch auf zahlreiche Privatunternehmen aller Branchen ausgeweitet, vor allem seit der Reform des Strafgesetzbuchs im Jahr 2010 hat er durch die Kodifizierung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit juristischer Personen (neben der von natürlichen Personen) an Bedeutung gewonnen.

 

Definition von Governance

Governance ist ein festgelegter Rahmen für die Leitung und Verwaltung eines Unternehmens in organisatorischer und struktureller Hinsicht. Bei konsolidierten Unternehmen ab einer bestimmten Strukturgröße spricht man von Corporate Governance.

Ziel ist es, die Effizienz der Leitungsorgane zu optimieren und sie gleichzeitig zu überwachen, denn ein Verstoß gegen die Governance ist auch ein Geschäftsrisiko und oft ein Rechtsverstoß, aber nicht ausschließlich. Dabei werden auch Regeln wie die internen (d.h. vom Unternehmen selbst festgelegten) Regeln berücksichtigt.

In diesem Teil der Disziplin des Managements der Unternehmensanalyse werden auch die Anforderungen der Vielfalt, der Gleichheit und der Unternehmensethik berücksichtigt.

 

Ist dies im Falle von Kulturunternehmen ohne Bereicherungsabsicht wirklich notwendig?

 

Lassen Sie mich versuchen, die Notwendigkeit anhand eines sehr einfachen und immer wiederkehrenden Beispiels in Kulturunternehmen zu erklären. Da ich ein Orchestermensch bin, werde ich natürlich das Beispiel eines Orchesters wählen.

Stellen Sie sich vor, alles ist bereit für ein Konzert vorbereitet, alles ist geprobt alle sind begeistert jetzt das Konzert zu spielen, als der Solo-Oboist unseres Orchesters unerwartet erkrankt. Damit wir uns richtig verstehen: Wenn z.B. die erste Oboe oder der Konzertmeister fehlt, habe ich ein ernstes Problem. Es ist nicht möglich zu sagen: „Der betreffende Musiker wird seine Arbeit wiederaufnehmen, wenn er zurückkommt“. Stellen Sie sich vor, unser Konzert findet ohne die beiden statt und sie spielen ihren Part 3 Wochen später. Man beachte die Ironie. Das ist ein Ding der Unmöglichkeit.

Wenn es sich hingegen um ein Streichertutti handelt, kann das Stück vielleicht mit einer Person weniger aufgeführt werden, aber es gibt mehrere Positionen, die einfach nicht unbesetzt bleiben können. Und was machen wir, wenn das passiert?

Gute Frage, ich habe sie schon mehrmals gestellt, aber was ist, wenn sich unser Orchester zu allem Überfluss auch noch auf einer Insel befindet, die weit vom Festland entfernt ist? Egal, wie schnell uns ein anderer Musiker mitteilt, dass er aus Norwegen kommt, um uns zu helfen, wir müssen die Zeit einkalkulieren, die er braucht, um von seinem Heimatland auf die Inseln zu gelangen. Das ist nochmal erheblich komplizierter.

Und diese Dinge passieren regelmäßig. Sie lassen sich immer irgendwie lösen, aber wie wäre es, wenn wir beim nächsten Mal einen richtigen Aktionsplan für die wichtigsten Positionen im Orchester hätten? Zumindest würden wir keine Zeit mit Nachdenken und Grübeln verschwenden, sondern uns direkt ins Protokoll stürzen und das Risiko viel schneller und mit ziemlicher Sicherheit auch finanziell viel effizienter für das Unternehmen verringern können.

Das Gleiche gilt übrigens auch für bestimmte Positionen innerhalb der administrativen und technischen Führungsstruktur. Es gibt Positionen, die niemals unbesetzt sein dürfen. Für die Abwesenheit eines Kollegen in diesen Positionen muss es einen definierten Plan B geben, damit keine Zeit verloren geht, wenn etwas Unvorhergesehenes passiert.

Wenn wir nun über finanzielle Unwägbarkeiten sprechen, werden Sie mich wohl besser verstehen. Viele Orchester in Europa sind von der Kürzung oder vollständigen Streichung bestimmter öffentlicher Mittel bedroht, und es gibt immer einen Sturm der Entrüstung, aber niemand macht sich daran, einen Notfallplan für den Fall zu erstellen, dass so etwas wirklich passiert.

Ich habe weiter oben die Pandemie erwähnt, weil eine Pandemie aus unternehmerischer Sicht ebenfalls ein Risiko ist, das im Voraus kalkuliert werden muss, genau wie zum Beispiel die negativen Auswirkungen von erfolgreichen Angeboten der Konkurrenz auf unser Unternehmen. Sie müssen im Vorfeld analysiert und untersucht werden, sonst wissen wir nicht, wie wir im Ernstfall angemessen reagieren können. Wir werden wertvolle Zeit und Marktanteile verlieren, weil wir unsere Hausaufgaben nicht im Voraus gemacht haben.

Ein Risikomanagement-, Compliance- und Governance-System, das an unser Orchester angepasst ist (natürlich nicht im gleichen Umfang wie für ein börsennotiertes Unternehmen), wird uns den nötigen Spielraum geben, um in schwierigen Zeiten zu überleben und unsere Nachhaltigkeit zu sichern.

Vor allem sollten wir nie vergessen, dass es heute eine persönliche und strafrechtliche Haftung im Geschäftsleben gibt. Das Risikomanagement-, Compliance- und Governance-System ist auch ein Instrument für die Geschäftsleitung und die Direktoren, damit sie für ihre Geschäftsführung nicht zivil- oder strafrechtlich haftbar gemacht werden können. Aber das ist für die Zwecke dieses Artikels von geringerem Interesse.

Für den Leser mit deutschen Sprachkenntnissen empfehle ich folgende Lektüre: Compliance und Governance – Kultur weiterdenken.

https://www.kulturmanagement.net/Magazin/Ausgabe-176-Compliance-und-Governance,245

 

 

Wie können wir nun ein Risiko- und Compliance-Management System einführen und durchsetzen?

 

Natürlich werden Sie mich jetzt fragen: „Wie implementieren wir ein Modell, das für unser Kulturunternehmen geeignet ist? Was ist das richtige Modell?

Meine Antwort lautet wie folgt: Das richtige Modell ist dasjenige, das wir selbst definieren und das wir Jahr für Jahr an unsere besondere Realität anpassen. Wir können uns immer von anderen inspirieren und leiten lassen, aber es wird uns wahrscheinlich nicht wirklich helfen, Instrumente zu kopieren, die bei anderen Unternehmen funktioniert haben.

Die Schritte, die wir unternehmen müssen, sind einfach:

1. Die Definition eines Risikokatalogs

 

Definition von Risiken

Die Grundlage für alles ist die Definition und Katalogisierung der Risiken, die mit unserem Unternehmen oder Orchester verbunden sind. Hierfür ist die Erfahrung der gesamten Belegschaft des Orchesters von Nutzen. Es ist notwendig, einen Blick in die Vergangenheit zu werfen, die gemachten Fehler aufzulisten und die Folgen, die sie für unser Unternehmen hatten.

Dieser Prozess sollte mit allen Abteilungen und so vielen Personen wie möglich durchgeführt werden.

Es ist auch notwendig, Probleme zu berücksichtigen, die durch Wettbewerber entstanden sein könnten und daher ebenfalls vermieden werden sollten.

Es handelt sich um einen Prozess, der Zeit, viele Gespräche und eine Systematisierung der Daten erfordert, die den nächsten Schritt ermöglicht: aus diesen Informationen das abstrakte Risiko zu extrahieren, das eine Früherkennung und ein Notfallprotokoll erfordert. In dem Beispiel der Pandemie wäre das zu definierende Risiko „Gesundheitsrisiken“.

 

Bewertung der Risiken

Sobald wir einen Grundstock an Risiken haben, müssen wir sie sowohl nach Wichtigkeit und Unmittelbarkeit als auch nach der Schwierigkeit ihrer Beseitigung einstufen. Mit anderen Worten: Nicht alle Risiken treten gleich häufig auf, und sie sind auch nicht alle gleich wichtig.

Wenn z. B. mitten im Prozess des Orchestervorspiels das Papier für den Kopierer ausgeht, ist das zwar ein Risiko, aber es wird nie ein Risiko von großer Bedeutung oder Dringlichkeit sein, da es relativ leicht zu lösen ist. Im schlimmsten Fall können wir auf die andere Straßenseite gehen und im Nachbarhaus drucken.

Diese Liste der abstrakten Risiken mit ihren entsprechenden Bewertungen und Hinweisen stellt dann unsern Risikokatalog dar.

 

2. Erkennen von Risiken

Der nächste Schritt besteht darin, Kommunikationskanäle für den Fall einzurichten, dass jemand im Unternehmen ein laufendes oder bevorstehendes Problem feststellt. Typischerweise kommt hier die Bemerkung „Oh, wenn etwas passiert, rufe ich den Chef an“. Ja, aber so einfach ist es nicht. Zumindest nicht, wenn wir effektiv und effizient sein wollen. Nicht jedes Risiko muss dem Management mitgeteilt werden, dafür gibt es Fachleute im mittleren Management. Wieder andere Risiken können von jedem Mitarbeiter direkt angegangen werden.

Wichtig ist, dass die Entscheidung darüber, welches Risiko wann und von wem kommuniziert werden soll, nicht erst im Ernstfall getroffen wird. Wenn wir einen Fehler machen und uns im Falle unseres Oboensolisten oder Konzertmeisters zuerst beim Stagemanager melden, in der Hoffnung, dass er die Kastanien aus dem Feuer holt, verlieren wir wertvolle Zeit. Er oder sie kann uns sagen, wir sollen das Orchestermanagement informieren. Das wäre vielleicht die bessere Lösung, könnte aber je nach Situation auch wieder ein Risiko für das Management darstellen.

 

Ad-hoc-Kommunikation

Normalerweise erfolgt die Kommunikation in Risikomanagementsystemen von einer Organisationsebene zur nächsthöheren Ebene innerhalb eines klar definierten Organigramms (ein schlecht definiertes Organigramm wäre ein weiteres Risiko). Mit anderen Worten: Wir teilen Vorfälle in der Regel unserem unmittelbaren Vorgesetzten mit.

Es gibt jedoch Situationen, die ein ernstes Risiko darstellen. Und was ernst ist, muss ebenfalls noch definiert werden. Eine ernste Situation kann eine sein, die eine Produktion komplett unmöglich macht, oder vielleicht eine, die zusätzliche Kosten verursacht. In jedem Fall erfordern diese ernsten Risikosituationen eine sofortige Reaktion, die über alle Organisationsebenen hinausgehen muss. Im Risikokatalog haben wir definiert, was dies ist.

Diese Mitteilungen werden in der Sprache der Risikomanager als Ad-hoc-Mitteilungen bezeichnet. In der Regel gibt es Formulare, die in diesen Fällen schnell ausgefüllt werden müssen und die die wesentlichen Informationen enthalten, z. B. an wen sie geschickt werden sollen.

Jetzt kommt es wieder: „Aber ein Anruf beim Chef würde doch genügen“. Richtig! Aber so einfach ist das nicht. In der Hitze des Gefechts werden Details vergessen, die später von Bedeutung sein können. Der Anruf reicht nicht aus. Natürlich rufe ich auch an, wenn ich die Ad-hoc-Mitteilung abgeschickt habe, aber nicht nur.

 

Monatliche / vierteljährliche / jährliche Risikoberichte

Risikoberichte werden häufig für alltägliche Managementrisiken verwendet, die der Geschäftsleitung gemeldet werden müssen, aber kein Eingreifen der Geschäftsleitung erfordern. Dabei handelt es sich ebenfalls um vordefinierte Formulare, häufig in Tabellenform, in denen die aufgetretenen Risiken, ihre Einstufung – geringfügig, schwerwiegend und sehr schwerwiegend -, der Grad der Bedrohung, die entstandenen Kosten und der Status der Lösung aufgeführt sind.

 

Um auf unser Beispiel zurückzukommen:

 

Nicole Martín Medina - Risikomanagement, Compliance & Governance für Sinfonieorchester und andere Kulturbetriebe
Bild: Markus Kammermann at Pixaby

Mai 2024 – ARBEITSRECHTLICHES RISIKO – Krankheitsfall Oboensolist. Ernsthaftes und unmittelbares Risiko.

Überschreitung der Unterkunfts- und Reisekosten aufgrund einer verspäteten Buchung um 800 €. Abgeschlossen am 17/08/2024

(Beträge und Daten sind willkürlich erfunden)

Nicole Martín Medina - Risikomanagement, Compliance & Governance für Sinfonieorchester und andere Kulturbetriebe
Bild: StockSnap at Pixaby

Mai 2024 – ARBEITSRECHTLICHES RISIKO – Mutterschaftsurlaub. Ernsthaftes Risiko für die Zukunft.

Entbindung im Oktober 2024 erwartet. Kann zu einer Kostenüberschreitung bei der Einstellung führen, ist aber derzeit nicht definiert. Lösung steht noch aus.

(Bitte interpretieren Sie in diese Worte nichts hinein, was ich nicht gesagt habe, denn natürlich bin ich eine Frau und verstehe die Situation der Mütter. Aber aus geschäftlicher Sicht ist eine Schwangerschaft nun mal das, was es ist: ein Risiko, das vorhergesehen, beachtet und gelöst werden muss).

Nicole Martín Medina - Risikomanagement, Compliance & Governance für Sinfonieorchester und andere Kulturbetriebe
Bild: Hans at Pixaby

Mai 2024 – RISIKEN BEI DEN AKTIVA – Ausfall der Klimaanlage im Proberaum. Leichtes wiederkehrendes Risiko.

Führt regelmäßig zu einer Überschreitung der Wartungskosten um 500 €. Status: Vorläufig behoben am 16/09/2024. Empfehlung an das Management: Im Rahmen von F&E (Investition & Entwicklung) die Anschaffung eines neuen Systems in Betracht ziehen.

(Willkürlich erfundene Mengen und Daten)

Die Beispiele sind sehr vereinfacht dargestellt, aber es geht ja nur darum, die Idee aufzuzeigen. Ich denke, die ist klar.

Die monatlichen (bei einem Orchester halte ich das nicht für notwendig) und/oder vierteljährlichen Berichte werden in den Abteilungen formalisiert. Der Jahresbericht (eine Zusammenfassung der wichtigsten Risiken) wird vom Verantwortlichen für Risikomanagement, Compliance und Governance für das Management geschrieben.

Auch hier wird mir oft gesagt: „Das ist doch nur für den Papierkorb“.

Das ist aber nicht der Fall, denn nach einigen Jahren liefert es uns unschätzbare Informationen über unser Unternehmen und macht uns im Laufe der Zeit schnell, agil und entscheidungsfreudig, ohne die Gefahr von übereilten Entscheidungen, Fehlern und anderen unnötigen Tritten ins Fettnäpfchen. Genau wie das Controlling[2] (das ein Instrument des Risikomanagements sein kann und das ich bereits in anderen Artikeln erwähnt habe), gibt es uns eine klare Vision unseres Geschäfts, unseres Unternehmens und unseres Orchesters, wodurch wir uns deutlich von der Konkurrenz abheben.

 

3. Erstellung von Protokollen für Maßnahmenergreifung

 

Während der Pandemie kontte man beobachten, wie alle Betroffenen Aktionsprotokolle aus dem Nichts erstellten. Seltsamerweise wurden die bisher erläuterten Schritte nie berücksichtigt. Als Covid-19 ausbrach, war natürlich niemand darauf vorbereitet.

Wie der Risikokatalog müssen auch die Aktionsprotokolle unter Beteiligung des gesamten Teams erstellt werden. Das ist ein Prozess, der Zeit braucht und vor allem eine jährliche Aktualisierung auf der Grundlage der bei der Übung gewonnenen Erfahrungen erfordert. Wir werden nicht beim ersten Mal die goldene Lösung finden. Man müsste schon sehr viel Glück haben.

Protokolle werden für bestimmte Risikogruppen entwickelt, nicht für jedes Risiko einzeln. Deshalb sind die vorherigen Definitionen so wichtig.

 

 4. Das Risikohandbuch

All diese Punkte werden schließlich im sogenannten Risikohandbuch zusammengefasst. Dieses enthält unseren Katalog, die typologische und wirtschaftliche Einordnung der einzelnen Risiken, die Definition der Begriffe (leicht, schwer, sehr schwer, drohend, zukünftig usw.), die Kommunikationskanäle und die Ad-hoc-Kommunikation sowie die verschiedenen Handlungsprotokolle und alle weiteren zu berücksichtigenden Punkte.

 

Zusammenfassung:

Dies waren die grundlegenden Schritte, die ich unternommen habe, um das Problem des Unternehmens zu lösen, das bislang am Ende eines jeden Geschäftsjahres keine positive Bescheinigung von den Wirtschaftsprüfern erhalten hat. Im ersten Jahr dachte ich mir ebenfalls „ruf doch einfach den Chef an“, aber im Laufe von sechs Jahren habe ich verstanden, wie wertvoll dieses Instrument ist.

Ob es nun gesetzlich vorgeschrieben ist oder dem gesunden Geschäftssinn entspricht, es ist etwas, das auch in gemeinnützigen Kultur- und Kreativunternehmen untersucht und angewendet werden sollte.

Erinnern Sie sich bitte an das Beispiel des kurzsichtigen Piloten in meinem letzten Artikel.[3]

 

Aber nun mal ehrlich – Gibt es Orchester, die diese Instrumente wirklich in ihrer täglichen Arbeit anwenden?

 

Habe ich Sie immer noch nicht überzeugt, wirklich nicht?

Da in der Welt der klassischen Musik (im Guten wie im Schlechten) viel darüber gestritten wird, was in anderen spanischen und europäischen Orchestern getan wird, hilft es vielleicht, wenn ich Ihnen sage, dass es natürlich Orchester gibt, die mit Risikomanagement- und Compliance-Tools arbeiten. Vielleicht nicht genau in der hier dargestellten Form, sondern in einer an sie angepassten, aber sie nutzen sie.

Ein Orchester, das definitiv sowohl mit den in diesem Artikel besprochenen Instrumenten als auch mit Controlling arbeitet, ist die Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz in Ludwigshafen, die von dem Intendanten Beat Fehlmann geleitet wird. Seit Jahren gewinnen sie alle Preise, die mit der guter und korrekten Betriebsführung oder dem Marketing von Orchestern zu tun haben. Ich bewundere sie sehr und fühle mich sehr geehrt, dass ich Ende dieses Jahres eingeladen wurde, dieses Orchester eine Woche lang zu besuchen. Ich werde beobachten können, wie sie ihr Neujahrskonzert vorbereiten und mit den Kollegen über Themen wie Risikomanagement, Controlling oder einfach den Einsatz des digitalen Notenpults sprechen.

Ich werde sicherlich in diesem Blog einen Artikel über meinen Besuch in Ludwigshafen und all die interessanten Dinge, die ich auf der Reise gelernt habe, veröffentlichen. 

Wenn Sie heute schon einen Beweis dafür haben wollen, dass das, was ich sage, wahr ist, empfehle ich Ihnen den folgenden Artikel zum Teilthema Controlling:

Controlling mit Blick auf die Musiker:

https://www.controllingportal.de/Fachinfo/Funktional/Controlling-mit-Blick-des-Musikers.html

 

Nicole Martín Medina

Las Palmas de Gran Canaria

August 2024

(Original auf Spanisch/Übersetzung Deepl/ Korrektur NMM)

 
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Fussnoten: 

[1] Siehe: Gabler Wirtschafslexikon – https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/risikomanagement-42454

[2] Siehe: Teil 1 Controlling – 10 Gründe für Controlling in Sinfonieorchestern

https://nicolemartinmedina.com/de/10-gruende-controlling-sorchestern/

Teil 2 und 3 Controlling nur auf Spanisch:

https://nicolemartinmedina.com/los-instrumentos-del-controlling-2/

https://nicolemartinmedina.com/controlling-3/

[3] Siehe: Numerisches Handwerkszeug für gemeinnützige Organisationen und Projekte – https://nicolemartinmedina.com/de/w-f-analyseinstrumente/

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