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Nicole Martín Medina

Gestora Cultural – Abogada/MBA

„Luz de tinieblas“ – Laura Vega

Präsentation der ersten monografischen

Kammermusik CD von Laura Vega

 
Auditorio Alfredo Kraus/ Kammermusiksaal 
Las Palmas de Gran Canaria – 24. Februar 2023

 

"Luz de tinieblas" - Laura Vega (NEOS)
Titelfoto der CD: Ángel Luís Aldai (Fotograf)

Aufgenommen am 12. März, 14. Mai und 19. Juni 2022

Produziert von der deutschen Plattenfirma NEOS

 

Rezension

Die Idee für dieses Aufnahmeprojekt stammt aus dem Jahr 2021 aus einer Zusammenarbeit der Asociación Taller Lírico de Canarias und Laura Vega. Für die Künstlerin ist es eines der befriedigendsten Projekte ihrer gesamten Laufbahn. Die CD enthält 8 Kammermusikwerke aus Lauras Katalog, die für sie die größte persönliche Entwicklung bedeutet haben, sowohl was das musikalische Ergebnis als auch was die Lebensumstände betrifft, unter denen die Kompositionen entstanden sind.

Laura Vega ist die bekannteste kanarische Komponistin der Gegenwart. Sie studierte Klavier, Oboe und Komposition am Conservatorio Superior de Música von Las Palmas, und ihr Werkeverzeichnis umfasst inzwischen mehr als 60 Titel. Ein detaillierterer Lebenslauf kann auf ihrer Webseite

https://www.lauravegacompositora.com/

eingesehen werden.

Am 24. Februar, dem ersten Jahrestag des Ausbruchs des Krieges in der Ukraine, stellte Laura Vega ihr neuestes Werk einem Publikum vor, das ihr Leben ebenso widerspiegelt wie ihre Musik. Während das Album metaphorisch wie ihr Baby oder Nachwuchs betrachtet werden kann, spiegelt das Publikum ihre Familie, Freunden, Lehrer und Kollegen wieder –mittendrin auch der eine oder andere Fan- die in vielen Fällen direkt oder indirekt zur Karriere der Protagonistin beigetragen haben. Viele andere haben sie aufwachsen sehen.

Natürlich werden sich einige meiner Leserinnen und Leser jetzt fragen, wie ich dazu gekommen bin, an dieser Präsentationsveranstaltung teilzunehmen. Ja, ich bin ein Fan ihres großen Talents. Aber, entscheidend ist eigentlich etwas Anderes. Zu meiner großen Überraschung erhielt ich vor einiger Zeit einen Anruf von Taller lírico mit der Frage, ob ich bereit wäre, bei der Produktion von Lauras CD zu helfen. Natürlich wollte ich das gerne tun, aber bislang hatte ich noch in keiner Weise Erfahrungen mit CD-Produktionen, was mein großes Erstaunen erklärt.

Das Problem war, dass die deutsche Plattenfirma und die Koordination und Kommunikation des Produktionsteams auf den Kanarischen Inseln mit der Verständigung Probleme hatten ….. Mit Englisch konnten sie das Problem nicht lösen und so kontaktierten sie mich. Plötzlich war ich also in ein ebenso einzigartiges wie schönes Projekt involviert. Welch ein Glück für mich!

Alle Beteiligten sowie das Projekt selbst sind mir schnell ans Herz gewachsen. Deshalb empfinde ich es als ein MUSS, diese Arbeit auch auf meinem Blog vorzustellen, zumal Lauras Musik bei mir wunderbare Emotionen und Bilder, ja sogar synästhetische Empfindungen hervorruft.

Die acht Werke von „Luz de tinieblas“ (dtsch: Licht der Finsternis) haben als Ausgangspunk das Klavier, zu dem die Klarinette, das Schlagzeug und Streichinstrumente hinzukommen. Dies sind die Instrumente, die ihre Sensibilität und Ausdrucksbedürfnisse am meisten wiederspiegeln, erklärte die Komponistin während der Präsentationszeremonie.

Der Titel „Luz de tinieblas“ gibt einem Werk auf der CD den Namen, dass zu Lauras Lieblingsstücken gehört. Als Grund nennt die Künstlerin die Dominanz der tiefen Register der beteiligten Instrumente. Es gibt jedoch auch noch einen anderen, besonderen Grund, warum Laura diesen Titel für die CD gewählt hat. Der große Musikwissenschaftler, Komponist und Kulturförderer Lothar Siemens, eine conditio sine qua non in der persönlichen und musikalischen Entwicklung unserer Komponistin, war es persönlich, der ihr bei der Wahl des Titels half[1].

Und damit komme ich zum Inhalt der CD, zu den Werken.

Laura Vega hat ihre Kompositionen am 24. Februar in umgekehrter CD-Reihenfolge vorgestellt. Dem gegenüber werde ich die chronologische Reihenfolge der Komposition wählen, denn ich möchte meinen Lesern vorschlagen, sich die Entwicklung des Komponisten von 2005 bis 2019 in historischer Chronologie genauer vor Augen zu führen. Die Entwicklung von einer eher technischen Komposition oder einer sehr de lege artis Herangehensweise hin zu einem flüssigen und natürlichen musikalischen Ausdruck ist erstaunlich. Laura selbst verwendet den Begriff „Versüßen“, um denselben Prozess zu beschreiben.

N.° 6 der CD – 2005/2007 – Homenajes II

Homenajes III (dtsch: Huldigung/ Ehrung) ist das älteste der 8 Stücke auf der CD und wurde als erstes bei der Einführungsveranstaltung aufgeführt. Aus meiner Sicht ist es das abstrakteste und kaleidoskopischste Stück. Es ist ein „work in progress„, wie es die Autorin nennt, denn anfangs war es für Soloklavier konzipiert, und spätere Versionen entstanden nach einer wachsenden instrumentalen Besetzung, in diesem Fall die Duo-Version. Es ist ein Werk, das eine Hommage an die Komponisten Albéniz, Beethoven, Schubert, Schumann und Takemitsu darstellt.

Nicole Martín Medina - "Luz de tinieblas" - Laura Vega
Foto: https://www.istockphoto.com/
Nicole Martín Medina - "Luz de tinieblas" - Laura Vega
Foto: https://www.istockphoto.com/

N.° 4 der CD – 2012 – Luz de tinieblas

Luz de tinieblas (dtsch: Licht der Finsternis) ist die nächste Komposition in der von mir gewählten Reihenfolge. In den ersten Takten stechen die dunklen, schwer verdaulichen Klänge deutlich hervor, die mich an etwas Schmerzhaftes und Unheimliches denken lassen. Doch später tritt das tröstliche Timbre des Cellos wie eine Rettung auf und schafft zusammen mit dem Klavier einen Lichtpunkt, der sich von da an durch einen melodischen Abschnitt entwickelt, der immer wieder vom Klavier angeschnitten wird.

Die Dunkelheit wird nie ganz überwunden, aber das Licht wird auch nicht ganz unterdrückt, so dass die Worte des Pianisten José Luís Castillo, der der Ansicht ist, dass diese Musik uns einlädt, das Licht in der Dunkelheit selbst zu suchen, um göttlichen Trost zu finden, voll und ganz bestätigt werden können.

N.° 1 der CD – 2012 – Viaje al silencio

Nach Angaben der Komponistin wurde das Werk durch das gleichnamige Buch der britischen Schriftstellerin Sara Maitland inspiriert. Sowohl Sara Maitland in ihrem Werk als auch Marta Meneses, eine Zen-Lehrerin, verstehen Stille nicht als Abwesenheit von Lärm oder Leere, sondern als Präsenz, als Bewusstsein, das zu Weisheit führt. Die Musik lädt den Hörer zu einer Reise nach innen ein, in die Stille, und ruft in mir persönlich mehrere Bilder aus dem Film „Drei Farben: Blau“ (1993) des polnischen Regisseurs Krzysztof Kieślowski wach. In diesem Film spielt ein blaues Windspiel eine zentrale Rolle. Sowohl die Farbe Blau als auch das Mobile hallen durch Lauras Musik in mir wider, so als ob die Stille mir zurufe: „Kannst du mich nicht hören?“

Nicole Martín Medina - "Luz de tinieblas" - Laura Vega
Foto: https://www.filmin.es/pelicula/tres-colores-azul

 

Wenn Sie ein bisschen reinhören wollen:  

https://www.youtube.com/watch?v=2MlA4e5G6i4

N.° 3 der CD – 2013 – De un lejano amor

De un lejano amor (dtsch.: Von einer fernen Liebe) wurde von einem gleichnamigen Gedicht von Tomás Morales inspiriert. Das Werk entstand 2013 für Klarinette und Klavier und später, im Jahr 2014, in der Fassung für Cello und Klavier. Die Musik mit ihrer dunklen und melancholischen Klangfülle umhüllt mich in diesem Fall eher mit Empfindungen von Raum und Zeit als mit Bildern oder Farben. Da die Liebe ein abstraktes Konzept ist, ist sie nicht an ein Bild gebunden, sondern wird durch die zeitliche und räumliche Entfernung bedingt.

Das Gedicht von Tomás Morales deutet an, dass die Liebe verloren gegangen ist: „Wo bist du hin? Ich habe meine Liebe verloren! …. In angenehmer Ruhe schlief ich in der Stille meiner Seele, jugendliche Träumerei, und ich habe sie verloren…“. Die Musik von Laura Vega scheint jedoch vielmehr zu sagen, dass die Liebe sich entfernt hat (Raum), das heißt, dass sie nicht ganz vorbei ist (Zeit), dass sie nicht verloren ist, aber dass sie nicht mehr im Hier und Jetzt erlebbar ist. Vielleicht findet sie sich in der Stille der Seele des Zuhörers wieder, wo alle Jugendträume aufbewahrt werden.

Nicole Martín Medina - "Luz de tinieblas" - Laura Vega
Foto: https://pixabay.com

N.° 5 der CD – 2015 – Páginas de arenas

Laura hat dieses Stück für ihre Nichte Paula Torres, eine Cellistin, komponiert. Wie andere ihrer Werke ist es von Poesie inspiriert, insbesondere von zwei Gedichten der kanarischen Autorin Selena Millares mit den Titeln Océano de sombra (dtsch.: Ozean des Schattens) und Tu nombre (dtsch.: Dein Name). Es handelt sich um Rhapsodie, die in mir gelbe Bilder hervorruft. Ohne die beiden Gedichte zu kennen, sehe ich eine riesige Wüste, einen Ozean aus Sand und eine reitende Amazone.

Klangschnitte der beiden Hauptinstrumente Cello und Klavier, die ineinander übergehen, erinnern mich an Windböen, die den Sand anheben und schwankende Schatten erzeugen. Und die ganze Zeit über ist die Amazone in einen ungreifbaren Traumschleier getaucht. Das ganze Werk scheint mir eine Geschichte zu sein, die auf Papier geschrieben wurde und zu gelbem Staub zerfließt: Sand.

N.° 8 der CD – 2015 – Paraísos perdidos III

Track Nr. 8 der CD ist wieder ein ‚work in progress‘, das verschiedene Versionen des Werks hervorbringt, die von dem Gemälde El rayo verde (dtsch.: Der grüne Strahl) des Künstlers Antonio Padrón inspiriert sind. Und nein, liebe Leserinnen und Leser, es erwacht in mir kein grünes Bild.

Die Musik spiegelt verschiedene geografische Landschaften der Kanarischen Inseln wider, die als Paradiese gelten. Man hört deutlich die Sehnsucht derer, die ihre Heimat verlassen und auswandern mussten. Züge der kanarischen Folklore und Imitationen der Klänge von Chácaras oder der Gomera-Trommeln schaffen diese nostalgische Atmosphäre. Dennoch möchte ich in diesem Ruf des klangvollen „No me olvides“ (dtsch.: Vergiss mich nicht) auch ein „Bienvenido“ (dtsch: Herzlich Willkommen) für diejenigen hören, für die dies ein neu gefundenes Paradies ist, für diejenigen, die bei ihrer Ankunft zum ersten Mal von den Nuancen des Arrorró von Laura Vega umhüllt werden. Es ist vielleicht im wahrsten Sinne des Wortes das schönste Werk und das am leichtesten anzuhörende der CD.

N.° 2 der CD – 2016 – Cuatro miradas a un infinito limitado

Cuatro miradas a un infinito limitado (dtsch.: Vier Blicke auf eine limitierte Unendlichkeit) ist eine weitere Komposition, die mich von Bildern aus Kinofilmen träumen lässt. Die Musik verkörpert eine Betrachtung der Landschaft der La Isleta, einem emblematischen Stadtteil von Las Palmas de Gran Canaria, der früher eine kleine, unabhängige Insel war.

In der Komposition wird sie zu vier verschiedenen Zeiten und in vier verschiedenen Farben betrachtet: in der Morgendämmerung, am Nachmittag, in der Nacht und in der Morgendämmerung.

Ja, mein lieber Leser, jetzt können wir wieder synästhetische Effekte in Gelb, Blau und Grün (oder Braun) und Weiß (oder Grau) erleben.  Es ist, als ob der Himmel nach dem Unendlichen jenseits unserer Isleta schreit, während das Klavier die typischen Grenzen eines Teils eines Archipels markiert.

Bleibt noch die Klarinette, die den beiden zu Hilfe kommt, vielleicht ein wenig wie die riesige brückenartige Verbindung zwischen der Isleta und der Hauptinsel Gran Canaria, die im letzten Jahrhundert geschaffen wurde (siehe Bild). Auf diese Weise werden das Unendliche (Spiritualität) und das Begrenzte (unsere reale Welt in ihrer Dualität) in Harmonie vereint, wie sie nur Laura Vega auszudrücken weiß.

Nicole Martín Medina - "Luz de tinieblas" - Laura Vega
Foto: https://es.wikipedia.org/

N.° 7 der CD –  2018 – Ni neu

Zum Schluss bin ich bei der jüngsten Komposition in dieser Monographie angekommen. Ni neu ist baskisch und bedeutet „Ich selbst“. Der Titel stammt aus dem Gedichtband von Inma Arroyo. Dieses Werk geht auf eine frühere Komposition namens „Alone“ (2014) zurück, die als Einladung zur Meditation und zur Begegnung mit sich selbst gedacht war.

Zu Beginn erhebt sich die Klarinette stolz vom tiefen Bassbereich bis zu den höchsten Tönen, als wolle sie sagen: Hier bin ich! Auf ihrer musikalischen Reise kehrt sie in die unteren Bereiche ihres Stimmumfangs zurück und vermittelt Sicherheit und Festigkeit in ihrem Fundament. Trotz der Versuche des Klaviers und der Geige, die Klarinette aus dem Gleichgewicht zu bringen, steht die Klarinette aufrecht da: Weil ich es mir wert bin!

Der Autorin zufolge ist das Werk all jenen Frauen gewidmet, die im Laufe der Geschichte dafür gekämpft haben, am Leben zu bleiben, denn im Grunde genommen sind wir alle irgendwann allein. Daher sollte mein Verständnis der Musik nicht zu weit von den ursprünglichen Gedanken und Gefühlen entfernt sein.

Zusammenfassend hoffe ich, deutlich gemacht zu haben, dass dieses erste Soloalbum von Laura Vega sehr poetisch ist und es dem Hörer erlaubt, sich in seinen eigenen Interpretationen zu verlieren, während er hinter all dem immer noch die liebenswerte Seite seiner Schöpferin sieht.

Sehr empfehlenswert!

Nicole Martín Medina

Las Palmas de Gran Canaria

April 2023

(Original Spanisch/ Übersetzung Deepl/ Revision NMM)

 

HINWEIS: Dieser Artikel ist auch in Spanisch und Englisch verfügbar:

Español: https://nicolemartinmedina.com/luz-de-tinieblas-laura-vega/

English: https://nicolemartinmedina.com/en/luz-de-tinieblas-laura-vega-3/

 

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