Musiker und ihre Kulturmanager
7 Gründe, warum wir uns nicht verstehen
Der Radiergummi und
der Bleistift
Der Radiergummi begrüßte den Bleistift: -Wie geht es dir, mein Freund?
Der Bleistift antwortete wütend: -Ich bin nicht dein Freund.
-Warum denn das?
-Warum radierst du immer alles aus, was ich schreibe?
-Ich radiere nur Fehler aus.
-Ach nee. Was ist denn wirklich deine Aufgabe?
-Ich bin ein Radiergummi, das ist mein Job.
-Das ist doch kein Beruf. Schreiben ist ein Job.
Das gab dem Radiergummi zu denken. -Meine Arbeit ist genauso wichtig wie deine.
-Du irrst dich, denn derjenige, der schreibt, ist definitiv wichtiger als derjenige, der radiert.
Worauf der Radierer antwortete: -Das Falsche zu löschen, ist gleichbedeutend mit dem Richtigen zu schreiben, würde ich mal sagen.
Der Bleistift schwieg eine Weile, dann sagte er mit einer gewissen Traurigkeit: -Außerdem sehe ich, dass du jeden Tag kleiner wirst.
-Das ist klar, denn jedes Mal, wenn ich einen Fehler ausradiere, opfere ich etwas von mir. Sieh dich doch selber mal an!
Der Bleistift sagte mit heiserer Stimme: -Ich fühle offen gesagt auch, dass ich kleiner bin, als ich gestern war.
Der Radiergummi sagte, während er ihn tröstete: -Wir können anderen nicht helfen, wenn wir nicht ein Opfer für sie bringen.
Wenn du kein Bleistift sein kannst, und nicht das Glück hast, schreiben zu dürfen, dann sei ein guter Radiergummi, mit dem du die Fehler und Sorgen ausradierst und Hoffnung und Optimismus säst.
(Autor unbekannt)
Einführung
Auf der majestätischen Bühne eines Symphonieorchesters, wo die Musik zu einer Symphonie der Klänge verwoben wird, herrscht ein empfindliches Gleichgewicht, das über Noten und Melodien hinausgeht. Die Harmonie, die sich bei jeder Aufführung entfaltet, ist das Ergebnis einer engen Zusammenarbeit zwischen den Musikern und ihrem Management-, Produktions-, Verwaltungs- und Technikpersonal. Diese oft unterschwellige, aber unerlässliche Interaktion ist die Seele des Orchesters, und in diesem Artikel werden wir uns eingehend mit der Kunst der Kommunikation befassen, die den Kern des Orchesters ausmacht.
In diesem neuen Blogbeitrag geht es darum, die Geheimnisse der Kommunikation innerhalb eines Symphonieorchesters als Unternehmensensemble zu analysieren und zu verstehen. Vom Stimmen der Instrumente über die Planung von Konzerten bis hin zur Lösung logistischer Herausforderungen möchte ich aufzeigen, dass eine effektive Kommunikation der Schlüssel ist, der diese beiden Welten in einem scheinbaren Kontrapunkt vereint.
Und wie schwer das manchmal ist!
Ich habe im Laufe der Jahre beobachtet, wie viele alltägliche Probleme in einem Orchester hätten vermieden werden können, wenn es eine gute Kommunikation zwischen allen Beteiligten gegeben hätte. Ich meine eine Kommunikation, die vor allem auf gegenseitigem Respekt und gegenseitiger Wertschätzung beruht, auf der Anerkennung des jeweils anderen, seines Könnens und seiner Arbeit. Eine Kommunikation, die in der Lage ist, auch die eigenen Wissensdefizite zu akzeptieren und anzuerkennen, um mit den Kollegen, die es vielleicht besser wissen, Lösungen zu finden, und umgekehrt. Eine Kommunikation, die auf den Nutzen für die Gruppe und das gemeinsame Ziel ausgerichtet ist. Vor allem eine Kommunikation, die es versteht, das Ego und das „Ich will recht haben, Punkt um, Schluss, Ende aus. Weil ich es mir wert bin“ zu umschiffen.
Wirksame und konstruktive Kommunikation ist eine Herausforderung in jeder Gruppe, jedem Unternehmen oder jeder Gemeinschaft, aber noch mehr in einem Ensemble, das so groß wie ein Symphonieorchester ist.
Die Welt der klassischen Musik ist eine Welt voller Mythen und Vorurteile. Oder sollte ich sagen Vorurteile?
Hier sind ein paar Vorurteile, die für Musiker besonders verletzend sind:
Musiker sind etwas sonderlich. Sie sind ein Berufsstand der eigenen Art.
Musiker sind anders als andere Beruftstätige, sie sind hochmütig und oft arrogant.
Musiker können nichts anderes, als ihr Instrument zu spielen.
Musiker arbeiten sehr wenige Stunden. Sie gehen zur Probe und zum Konzert und das war’s.
Musiker würden ihren eigenen Kopf vergessen, wenn er nicht fest im Nacken säße.
Und viele andere, die ich hinzufügen könnte.
Auf der anderen Seite, Kommentare, die Kulturmanagement-Profis verletzen:
Die vom Management wissen wirklich nicht, was es heißt, Musiker zu sein. Sie verstehen uns nicht.
Die vom Management sind reine Bürokraten ohne jegliche Initiative.
Die Manager sind unfähig und wissen nicht, wie sie die kleinste Sache lösen sollen.
Viele Führungskräfte ertrinken in einem Glas Wasser. Man sollte sie mal sehen, wenn 10 Jahre lang studiert und dann ihr ganzes Leben lang ohne Unterbrechung weitergeübt hätten.
Die Managementjobs kann nun wahrlich jeder machen, insbesondere ein guter Musiker.
Wer im Management arbeitet, muss sich nicht in der Öffentlichkeit zeigen, er versteckt sich in seinem Büro.
Und auch hier gibt es viele mehr.
Die Wahrnehmung, ob der eine oder der andere mehr als andere professionell fit ist, ist subjektiv und kann je nach Standpunkt des Einzelnen stark variieren. Es gibt keine endgültige Antwort auf diese Frage, da sie weitgehend von individuellen Überzeugungen und persönlichen Einschätzungen abhängt.
In der Welt der Musik trifft jedenfalls Folgendes zu: Musiker fühlen sich ihrer Kunst tief verbunden und betrachten ihre Arbeit aufgrund ihrer Kreativität, Leidenschaft und Hingabe als etwas Besonderes und Einzigartiges. Sie widmen ihrer Kunst viel Zeit und Mühe, was dazu führen kann, dass sie sie als Teil ihres eigenen Lebens betrachten.
Ferner hat die Musik die Fähigkeit, Emotionen hervorzurufen und die Herzen der Menschen auf eine Weise zu berühren, wie es nur wenige andere Bereiche können.
Aus all diesen Gründen habe ich mich auf den Weg gemacht, die Ursachen für unsere Kommunikationsprobleme zu analysieren, um sie zu verstehen und in Zukunft hoffentlich mehr und besser zusammenzuarbeiten.
Die 7 GRÜNDE, DIE ZU UNTERSCHIEDLICHEN PERSPEKTIVEN FÜHREN
Ich weiß nicht, wie meine Leserinnen und Leser es sehen, aber ich persönlich glaube, dass ein großer Teil der Probleme in der Kommunikation auf unterschiedliche Standpunkte zurückzuführen ist. Jeder Mensch hat seine eigenen Lebenserfahrungen und Erfahrungen, die seine Sichtweise und Meinung zu den Dingen prägen. Wenn wir älter werden, sind wir kein unbeschriebenes Blatt mehr, und unser Lebensweg, unsere Erinnerungen, Freuden und Enttäuschungen haben direkten Einfluss darauf, wie wir die Welt um uns herum interpretieren.
Ebenso bilden die berufliche oder akademische Ausbildung, die wir erhalten haben, die Berufe, die wir ausgeübt haben, unsere Kultur, unsere beruflichen Erfahrungen, vor allem aber auch unsere politischen Ansichten oder unsere religiösen Überzeugungen eine Art Schleier, den wir vor unseren Augen und Ohren tragen und der uns daran hindert, die Dinge so zu sehen, wie sie wirklich sind.
Wenn wir dann vielleicht auch noch etwas stur sind, wenn es darum geht, mögliche andere Perspektiven zu berücksichtigen und auf unserem Standpunkt zu beharren, ist die Kontroverse vorprogrammiert.
Auf diesem Bild sind unsere beiden Maestros absolut davon überzeugt, dass sie wissen, wie die Zahl aus ihrer Sicht lautet. Aber ich denke, wenn wir die Zahl selbst fragen, wird sie uns sagen, wie sie heißt und welcher der beiden Dirigenten recht hat.
Leider gibt es bei Kommunikationsproblemen, Konflikten und Auseinandersetzungen im Orchesteralltag in der Regel keine Augen, Hände und Füße (so wie auf dem Bild), die zwischen den beiden streitenden Akteuren vermitteln. Im wirklichen Leben müssen sich beide Seiten bemühen, eine (oder sogar mehrere) mögliche Perspektiven einzunehmen, bevor sie auf einem Detail beharren. Erst wenn alle Gesichtspunkte oder Perspektiven zusammengetragen sind, sollten feste Einschätzungen oder Meinungen abgegeben werden. Darüber hinaus war ich immer der Meinung, dass die Wahrheit uns allen in ihrer Gesamtheit gehört, aber niemandem allein.
Schließlich möchte erwähnen, dass ich hier keine Verallgemeinerungen vornehmen oder Stereotypen fördern möchte, die den Einzelnen daran hindern, so zu sein, wie er ist. Es geht mir darum, Unterschiede herauszuarbeiten, die es uns ermöglichen zu verstehen, warum wir die Dinge vielleicht so sehen, wie wir sie sehen, jeder aus seinem eigenen Blickwinkel. Dafür bin ich gezwungen, nach den Ungleichheiten zwischen den beiden Berufsgruppen zu suchen, die uns helfen zu verstehen. Auf keinen Fall will ich in Polemik zu verfallen, denn die interessiert uns hier überhaupt nicht.
Grund 1 – Exzellenz vs. Produktivität, Effizienz und Rentabilität
Ich habe fast mein ganzes Leben lang Musiker bei der Arbeit beobachtet. Und wenn es eine Sache gibt, die sie im Allgemeinen charakterisiert, dann ist es ihr Streben nach Spitzenleistungen, ihre Fähigkeit, nach Perfektion als absoluten Begriff zu streben und sie zu erreichen.
Ihre gesamte Ausbildung von Kindesbeinen an, das Studium an den Musikhochschulen und die Arbeit in einem professionellen Orchester sind auf die Perfektion der Interpretation und des Ausdrucks ausgerichtet. Keine Note darf verstimmt sein, keine Pause übersprungen werden. Jedes Detail zählt. Nur wenn die Partitur perfekt nach den Wünschen des Komponisten und des Dirigenten interpretiert wird, kann sich ein guter Musiker ausruhen, zumindest ein wenig. Aber wirklich nur ein wenig, nicht zu viel! Man muss so schnell wie möglich wieder mit dem Üben beginnen.
Nach meinen Beobachtungen kann ich sagen, dass Musiker immer an der 100 %-Marke orientiert sind. Für sie sind 99,9 % nicht genug. Bei Vorspielen oder Konzerten müssen es 100% sein. Nicht mehr und nicht weniger. Ihr Ziel ist die absolute Perfektion. Sie ignorieren im Allgemeinen jedes andere Ziel, wie zum Beispiel den Fortschritt, sich verbessern oder hinzulernen.
Aber für uns in der Unternehmensführung ist Fortschritt oft ein besseres Kriterium für Erfolg als der absolute Begriff der Perfektion. In der Tat kann Perfektion in der Wirtschaft einen Rückgang der Produktions- oder Ergebniszahlen bedeuten, weil sie eine Stagnation in überholten Prozessen der Vergangenheit bedeuten kann. In der Betriebswirtschaft geht man sogar so weit, dass man Fehler als kontrollierte Risiken direkt einplant, da sie gegebenenfalls rentabler und effizienter sind als Fehlerlosigkeit.
Wie oft wurde in einem Haushaltsplan ein Betrag für die Zahlung von Bußgeldern für die Nichteinhaltung von Vorschriften vorgesehen, wohl wissend, dass es weniger kostet, Bußgelder zu zahlen, als die Gesetze einzuhalten. Zumindest in Spanien habe ich das schon oft erlebt. Ich sage nicht, dass ich das gut finde, ganz im Gegenteil, aber es ist die Realität.
Auch im Hinblick auf die Einhaltung der Haushaltsvorschriften kann es viel wichtiger sein, bestimmte Dinge innerhalb einer bestimmten Zeit und Frist zu erledigen, ohne dabei auf Perfektion zu achten, was natürlich oft die Qualität der Ausführung mindert. Das bedeutet nicht, dass sie als schlecht ausgeführt gilt. Perfektion kann auch als Verschwendung von Ressourcen für ein Unternehmen angesehen werden.
Was ich damit sagen will, ist, dass Führungskräfte unbewusst Exzellenz nicht durch die 100%-ige Einhaltung bestimmter Parameter definieren, sondern durch Fortschritt, Rentabilität, Ergebnis und manchmal auch durch soziale Nachhaltigkeit. Auf diese Weise ist es durchaus möglich, dass eine Leistung von 80 % als „perfekt“ angesehen wird, was bei einem Musiker zwangsläufig ein ernsthaftes Murren hervorrufen muss.
Der erste Grund für Missverständnisse und Auseinandersetzungen ist also serviert!
Es handelt sich um zwei diametral entgegengesetzte Sichtweisen, und wenn wir die Sichtweise des anderen nicht berücksichtigen, werden wir irgendwann aneinandergeraten. Es ist nur eine Frage der Zeit.
Grund 2 – Die Beibehaltung des alt-hergebrachten ist positiv vs. Die Beibehaltung des alt-hergebrachten ist oft mangelhaft oder negativ
Auch heute noch ist Produktion klassischer Musik ist die gleiche wie zu Mozarts Zeiten. An der Aufführung eines Konzerts durch ein Sinfonieorchester hat sich relativ wenig im Laufe der Jahrhunderte geändert. Die Musiker halten daher die Erhaltung bestimmter Formen für positiv und wünschenswert. Nicht umsonst tragen die Konservatorien diesen Namen.
Während die klassische Musik diese Bewahrung lebt und schätzt, ist die Unternehmensführung einem ständigen Wandel unterworfen. Sowohl in der Privatwirtschaft als auch im Non-Profit-Sektor gilt: Wer es nicht versteht, sich schnell an den Wandel der Zeit anzupassen, ist weg vom Markt. Daher neigt ein guter Manager unbewusst dazu, Verbesserungen durch Veränderungen anzustreben und sich dem zu widersetzen, was wir als „das haben wir schon immer so gemacht“ bezeichnen können.
In einem anderen Beitrag in diesem Blog habe ich über die Kostenkrankheit oder den Baumol-Effekt gesprochen [1], der das soeben Gesagte aus ökonomisch-finanzieller Sicht widerspiegelt.
Wir haben also bereits zwei Gründe, die unser tägliches Miteinander in einem Orchester behindern.
Während ein Musiker oder Künstler dazu neigt, sich der täglichen Flexibilität zu widersetzen, können Manager ohne sie nicht überleben.
Es gibt aber noch mehr Gründe! Lasst uns mal weitermachen…
Grund 3 – Künstlerische Ausdrucksfähigkeit vs. sprachlich-mathematische Fähigkeiten
Einer der vielleicht wichtigsten Gründe für das Hin und Her zwischen Managern und Musikern ist die Tatsache, dass der Musiker eine künstlerische Ausdrucksfähigkeit an den Tag legt, während Manager eher zu sprachlich-mathematischen Fähigkeiten neigen. Während die einen von Schönheit, Emotionen und Ästhetik sprechen, sprechen die anderen von Zahlen und Gesetzen. Es ist, als ob wir direkt in zwei verschiedenen Sprachen sprechen würden.
Es wäre fast ein Wunder, wenn es in einem Sinfonieorchester nicht regelmäßig zu Auseinandersetzungen zwischen dem technisch-administrativen und dem künstlerischen Personal käme.
Aber es gibt noch mehr. Ich bin mit meiner Aufzählung von Gründen und Motiven, die zu Kontroversen führen, noch lange nicht am Ende.
Grund 4 – Die Persönlichkeit des Musikers im Vergleich zur Persönlichkeit anderer Berufe
Die meisten Musiker (oder andere Körperausdruckskünstler wie z. B. Tänzer) beginnen ihre Berufsausbildung in einem sehr frühen Alter, oft schon im Alter von drei oder vier Jahren. Aus diesem Grund werden Musiker als Musiker ausgebildet, lange bevor sie ihre Persönlichkeit als Person wirklich fest entwickelt haben. Bei ihnen verschmelzen die Persönlichkeit und die Eigenschaft, Musiker zu sein, im Laufe der Jahre miteinander, sodass die Persönlichkeit eines Musikers irgendwann nicht mehr ohne das Instrument denkbar ist.
In allen anderen Berufen kann der Mensch seine Persönlichkeit bis zum Jugendalter langsam entwickeln und festigen, und erst später kommt dann die Berufspersönlichkeit hinzu. Mir ist jedenfalls kein Jurist bekannt, der im Alter von vier Jahren eine Berufsausbildung erhalten hat, und wenn es einen solchen Menschen gäbe, wäre er oder sie ein absoluter Einzelfall.
Folglich sehen Musiker die ganze Welt um sie herum zwangsläufig durch einen musikalisch-künstlerischen Schleier. Genauso wie Manager die Welt durch ihre Erfahrungen und Erlebnisse beeinflusst sehen.
Aber ich denke, wir können den Musikern ein Zugeständnis machen und davon ausgehen, dass es für sie viel schwieriger sein muss, sich auf andere Sichtweisen einzustellen, um diesen musikalisch-künstlerischen Schleier zu korrigieren, der oft nicht hilfreich ist, wenn wir über Verfahren und geschäftliche Erfordernisse sprechen. Technisch-administrativen Kollegen fällt es oft leichter, flexibel und verständlich mit Musikern umzugehen, weil sie dafür ausgebildet wurden.
Grundsätzlich gehe ich aber natürlich davon aus, dass Kommunikation eine Angelegenheit beider Seiten ist, niemals nur einer Seite.
Grund 5 – Diktatorische vs. falsch demokratische Welt
Während Berufsmusiker in Sinfonieorchestern in einer absolutistisch-diktatorischen Welt leben, leben die übrigen Berufsgruppen – zumindest heute – in einer „falschen“ demokratischen Welt.
Damit meine ich, dass Musiker nicht nur ihr ganzes Leben lang sowohl Exzellenz und Perfektion sowie Bewahrung alter Gegebenheiten in absoluten Begriffen lernen, sondern dass sie auch immer von einem Vorgesetzten mit absoluten Kriterien gesteuert werden.
Ob es sich nun um den Lehrer an der Musikhochschule, eine Jury oder den Dirigenten eines Orchesters handelt, Musiker können ihre Meinung nur selten frei äußern. Es besteht die Tendenz, dass unterdrückt zu werden, was ihre persönliche Ausdruckskraft auf den oben erwähnte musikalisch-künstlerischen Ausdruck reduziert.
Da nicht alles Gold ist, was glänzt, sage ich demgegenüber, dass die anderen Berufe in einer „falsch“ demokratischen Welt leben.
Zwar ist es richtig, dass jeder Berufstätige den Meinungen und Vorstellungen von Vorgesetzten, Chefs, Vorständen und dergleichen unterworfen ist. Aber immer mehr Menschen sprechen von moderner Führung, und die Menschen müssen in der Lage sein, ihre Bedürfnisse gegenüber den Unternehmen zu äußern.
Bei Musikern ist es manchmal notwendig, sie daran zu erinnern, dass es erlaubt ist, Fragen zu stellen und Meinungen zu äußern. Lachen Sie mich bitte nicht aus, aber unbewusst denken sie vielleicht, dass das verboten ist. Dann, wenn ein Musiker die Ruhe verliert, plötzlich alles aus sich herauslässt, was lange in ihm brodelte, ist es ihm nicht möglich, den anderen zu verstehen, denn das wurde ihnen nie erlaubt.
Nochmals: Ich gebe Musikern keinen Freibrief, andere Manager oder Verwaltungsangestellte ohne Kenntnis der Sachlage zu kritisieren, aber ich verstehe sie ein wenig, wenn sie irgendeine Idee über rechtliche, wirtschaftlich-finanzielle oder personalwirtschaftliche Fragen äußern, die mich innerlich zum Schmunzeln bringt.
Zusammenfassend könnte man vielleicht sagen, dass die künstlerische Welt endemisch und begrenzt ist, was sie überschaubar und vorhersehbar macht, während die Geschäftswelt in die große globale Welt eingebettet ist, die als Trichter für Individuen fungiert und zu einem Dschungel wird, der schwer zu handhaben und überhaupt nicht vorhersehbar ist.
Motiv 6 – Ein einziger Direktor gegen eine Welt von Chefs
Motiv 5 führt mich direkt zu Motiv 6.
Eine weitere Tatsache trennt uns: In einem Sinfonieorchester hat vor allem eine Person das Sagen, der Dirigent. Ja, es mag stimmen, dass es bei den Streichern und Sektionen Solisten mit bestimmten Rollen und Verantwortlichkeiten gibt, aber am Ende des Tages ist alles letztlich dem Verantwortungsbereich des Direktors zuzuschreiben.
Für das Spielen als solches hingegen ist in erster Linie jeder Musiker selbst verantwortlich. Natürlich hat es einen Einfluss, wenn ein anderer Kollege schlecht spielt oder unkonzentriert ist, aber letztlich hat jeder Musiker nichts zu verlieren, wenn er sich an der Partitur und die Vorgaben des Dirigenten orientiert. Ein Musiker kann eine hervorragende Arbeit leisten, während sein Kollege von nebenan dies nicht tut.
Wenn die Geschäftswelt doch nur so einfach wäre!
An der Spitze eines Unternehmens mag es am Ende des Tages nur einen technischen Direktor oder Manager geben, aber er oder sie ist nicht allein auf der Welt. Die Geschäftswelt ist gekennzeichnet durch das, was ich „eine Welt der Chefs“ nenne. Je nach der Position, die man innehat, kann man von mehreren, oder besser gesagt von vielen Menschen und deren Arbeit beeinflusst werden.
Die Arbeit des Kulturmanagers wird nicht nur durch andere Mitarbeiter innerhalb und außerhalb des Unternehmens beeinflusst, sondern auch durch vorgegebene Regeln und Verfahren. Er hat seine Aufgaben nicht zu 100 % selbst in der Hand, und die endgültige Fähigkeit, gute Arbeit zu leisten, hängt oft zu einem großen Teil von anderen Personen ab, auf die er oder sie keinen Einfluss hat. Aus der Sicht des Musikers aber scheint es, dass der technische Mitarbeiter derjenige ist, der alles falsch gemacht hat.
Es kann sein, dass ein Kollege in der Verwaltung, im Management oder in der Produktion scheinbar schlechte Arbeit geleistet hat und seine eigene Verantwortung für das schlechte Ergebnis minimal oder gar nicht vorhanden ist. Oft aber muss er das harte Urteil des Orchesters aushalten.
Es ist sehr schwierig, die Leistung eines Mitarbeiters zu beurteilen, solange man nicht alle Feinheiten einer Organisation kennt, und jede Meinung, die von außen nach innen geäußert wird, ist letztendlich ein schlechtes oder schlecht begründetes Urteil.
In diesem Sinne möchte ich dringlich daran erinnern, dass es zulässig ist, Fragen zu stellen, bevor man sich eine Meinung bildet oder, schlimmer noch, ein Urteil fällt.
Ich nehme an, Sie sehen langsam, dass wir uns als Musiker und Manager genau genommen sehr gut verstehen, denn unsere Zusammenarbeit ist alles andere als leicht.
Aber halt! Da ist noch ein Grund mehr zu benennen…
Grund 7 – Angst als Reisebegleiter vs. Angst darf gar nicht existieren
Die Angst ist ein treuer Begleiter des Musikers. Viele Musiker wissen ganz genau, was Lampenfieber ist, die Angst vor dem Vorspielen oder -singen oder die Angst vor dem Versagen oder davor, nur mittelmäßig zu sein. Ich will damit nicht sagen, dass alle darunter leiden, aber es ist ein Thema, das in der Welt der Musik viel mehr behandelt und zum Ausdruck gebracht wird als in der Geschäftswelt, wo es Angst – scheinbar – nicht gibt.
Letztendlich könnte man jeden zwischenmenschlichen Konflikt als ein Fehlen von Liebe und Empathie und ein Aufkommen von Angst zusammenfassen.
An dieser Stelle ist es für den Musiker vielleicht einfacher, die Kollegen aus der Verwaltung und Produktion zu verstehen, denn dem Manager oder Techniker wird nicht zugestanden Angst haben. Warum ist das so? Die Logik dahinter ist diese: Wenn er sein Studium abgeschlossen hat, muss er keine Prüfungen und Tests mehr ablegen, warum also sollte er noch Angst haben oder unter Unsicherheiten leiden? Man beachte die Ironie.
Ich versichere Ihnen, auch Kulturmanager haben Ängste und Unsicherheiten, egal, wie gut wir sie verbergen.
Ich plädiere seit Jahren dafür, dass es gut ist, unsere Unsicherheiten und Unzulänglichkeiten zu erkennen, uns so zu zeigen, wie wir sind. Authentisch. Es ist positiv, zu sagen: „Ich weiß es nicht“, anstatt zu versichern: „Es wird gemacht“, ohne das Ergebnis garantieren zu können. Meiner Meinung nach ist derjenige, der zugibt, was er NICHT weiß, indem er andere fragt, wie man es macht, stärker und selbstbewusster als derjenige, der fälschlicherweise ein Ergebnis zusichert, das später nicht erreicht werden kann. Vor allem ist er ehrlicher.
In der Geschäftswelt werden die Mitarbeiter vielfach durch festgelegte Budgets gelenkt und motiviert. Die Erfüllung des Budgets, nicht nur in Geldbeträgen, sondern auch in der Erreichung anderer verbindlicher Ziele, erzeugt einen Druck auf das technische und administrative Personal, der nicht weniger unangenehm ist als ein Vorsprechen oder ein Solokonzert. Mit dem Unterschied, dass niemand darüber spricht. Viele Menschen haben Angst, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, wenn sie bestimmte Parameter oder Richtlinien nicht erfüllen.
Mir hat dieses Argument noch nie gefallen, und ich persönlich sorge dafür, dass ich nie von Angst gelenkt werde, aber ja, ich weiß, wie sich das anfühlt. Auf den ersten Blick ist es mit der Abschlussprüfung vorbei, aber in Wirklichkeit unterliegen auch Kultur- und Unternehmensmanager einer ständigen Kontrolle ihrer Effektivität und Effizienz.
Richtig gesehen, sollte dies der erste Grund sein, der uns, Manager und Musiker, verbindet, obwohl er uns in Wirklichkeit oft trennt. Auf beiden Seiten könnten wir mehr Einfühlungsvermögen füreinander aufbringen und versuchen, die Dinge ohne unseren jeweiligen Schleier vor den Augen zu sehen.
HABEN WIR ÜBER DIE MUSIK HINAUS ETWAS GEMEINSAM?
Aber natürlich haben wir mehr Gemeinsamkeiten als nur die Musik. Und wenn wir sie nicht haben, müssen wir sie suchen, wie in jedem anderen Unternehmen, das nicht immer nur Arbeitnehmer mit denselben Interessen zusammenbringt.
Natürlich gibt es Kulturmanager in Orchestern, die sich gar nicht für Musik oder die Arbeit von Musikern interessieren, so wie mir gesagt wurde, dass es (wenige, aber es gibt sie) Musiker gibt, die die Musik nicht lieben. Wie auch immer, die Musik aus der Sicht des Managements ist sie ein operatives Geschäft wie jedes andere.
Das Erste, das uns verbindet, ist oder sollte unsere Menschlichkeit sein, wir alle sind Menschen mit Stärken und Schwächen, und wir alle sind der Bewertung und Anerkennung durch andere ausgesetzt, was selbst bei den selbstbewusstesten Personen Ängste und Unsicherheiten hervorruft.
Die Angst, zu versagen oder mittelmäßig zu sein, ist nicht nur eine Sache der künstlerischen Welt, sondern der gesamten menschlichen Welt.
Wir alle haben das Bedürfnis, für das, was wir tun und wer wir sind, angesehen und anerkannt zu werden. Das ist ein natürlicher Wunsch der Menschen. Auch der Wunsch, etwas Besonderes zu sein, ist etwas, das wir alle gemeinsam haben. Auf dieser Grundlage und unter Berücksichtigung unserer Besonderheiten, die in den sieben Motiven zum Ausdruck kommen, sollte es nicht so schwierig sein, unsere Kommunikation zu verbessern, um sowohl für künstlerische als auch für technisch-administrative Kollegen zufriedenstellende Ergebnisse zu erzielen.
Die sieben Motive drücken starre Denkweisen, verhärtete Mentalitäten und Widerstände gegen andere Sichtweisen aus. Wenn wir uns nur diese Tatsache zu eigen machen, sollten wir in der Lage sein zu erkennen, dass nicht nur unsere Sichtweise lebensfähig ist. Vielmehr sind in einer gegebenen Situation oft mehrere Wege, mehrere Ideen und Lösungen gültig und realisierbar.
So wie die beiden Maestros auf dem Bild dieses Artikels glauben, sie hätten die absolute Wahrheit über die Zahl, auf die sie schauen, so verhalten wir uns oft gegenüber unseren Arbeitskollegen des jeweils anderen Gremiums.
WAS KÖNNEN WIR TUN,
UM EINANDER BESSER ZU VERSTEHEN?
Die Antwort könnte ein sehr langer Beitrag von mehr oder weniger nützlichen Tipps sein,
aber ein erster Schritt könnte sein, sich zu erinnern:
Es ist erlaubt, zu fragen. LASST UNS BITTE ZUERST FRAGEN.
Bevor ich mich für heute verabschiede, möchte ich daran erinnern, dass dies ist der erste Teil des Themas, es werden noch zwei weitere Einträge folgen. Fortsetzung folgt!
Nicole Martín Medina
Las Palmas de Gran Canaria
Februar 2024
(Original in Spanisch/ Übersetzung Deepl/ Revision NMM)
FUSSNOTE:
[1] Bitte beachten Sie auch meinen folgenden Beitrag (bislang nur auf Spanisch und Englisch vorhanden): https://nicolemartinmedina.com/en/orchestras-and-sustainability/
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BIBLIOGRAFIE:
Buch: Wie man glücklich wird, wenn man ein Musiker ist oder einen um sich hat (nur Spanisch) – Guillermo Dalia
Podcast:
Klangvoll – Teil 8 – Gerald Mertens im Gespräch mit Ralf Pegelhoff (Klarinettist, Mediator und HR-Coach) – „Es ist notwendig, mehr mit anderen zu reden als über andere“.
Website:
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BESONDEREN DANK:
Die Personen, die mich während der Arbeit an diesem Artikel besonders inspiriert haben und denen ich zutiefst dafür danken möchte, dass sie mir ein wenig von ihrer Zeit, ihren Einsichten und ihrer Kritik geschenkt haben, sind:
Tiffany Chan – Direktorin
Chrissy Kinsella– Geschäftsführerein London Music Fund
Barbara Venetikidou – Orchestramanagerin Sächsische Bläserphilharmonie