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Nicole Martín Medina

Gestora Cultural – Abogada/MBA

Warum wir Deutsche im Ausland als Quadratköpfe gelten

Warum wir Deutsche im Ausland als Quadratköpfe gelten

 

Überlegungen zur deutschen Sprache

Wenn man mit Zeit und Mühe unsere deutsche Sprache genau analysiert, kann man in ihr, in ihren grammatikalischen Strukturen, der Wortbildung und dem Satzbau Dinge erkennen, die sich im Prototyp des Deutschen oder in der Klischeevorstellung zu den Deutschen widerspiegeln. Ich habe schon immer viel mit der deutschen Sprache -und Sprachen im Allgemeinen- gearbeitet, aber erst im Deutschunterricht sind mir diese kleinen Merkmale aufgefallen, die sowohl die deutsche Sprache als auch die deutsche Kultur charakterisieren, und über die ich in diesem Eintrag sprechen möchte.

Bevor ich aber zum Thema komme, sollte ich ehrlich sein und gestehen: ich bin gar keine Deutschlehrerin! Die Wirren des Lebens führen uns jedoch manchmal über die seltsamsten Wege und so kam es, dass ich als Rechtsanwältin und Kulturmanagerin auf einmal auch Sprachunterricht (Deutsch und Englisch) an einer Sprachschule gab. Zwar sehe ich mich absolut nicht in der Rolle der Dozentin, aber anscheinend habe ich ein Talent, Leute zu motivieren, denn die Nachfrage nach meinem Unterricht ist groß. Der Sprachunterricht war und ist für mich eine reine Überlebensform, er hat mir jedoch eine Einsicht in meine Wurzeln ermöglicht, die ich bislang nicht hatte oder, besser gesagt, deren ich mir nicht bewusst war.

Bei Englisch war das Unterrichten noch relativ einfach, aber Deutsch musste ich mir tatsächlich von der Pike auf neu anlesen. Zu wissen, wie etwas richtig gesagt wird, ohne das aber erklären zu können, ist definitiv nicht genug. Nicht in meinem Klassenzimmer. Mit der Bibel der deutschen Sprache, Helbig-Buscha, unterm Arm ging‘s los und mittlerweile habe ich mein eigenes System, Deutsch zu unterrichten, entwickelt. Dabei lege ich besonderen Wert auf einfache und bildliche Erklärungen, so einfach, dass ich die Fachsprache gerne komplett weglasse und regelmäßigen Lacherfolg provoziere. Sprich, ich vergleiche die Deklination mit Harry Potters Schule Hogwards, den Satzbau mit einem Bus und mache ironische Kommentare zu Deutsch und der deutschen Kultur.

Schauen Sie gern in meinem YouTube-Kanal vorbei (hier ein Video zu den trennbaren Verben/Spanisch): 

VIDEO: Idiomas con Nico – Trennbare Verben

Ich habe neben Deutsch noch 5 andere Sprachen gelernt, 3 spreche ich davon genauso fließend wie Deutsch und ich wage zu sagen, es gibt nur wenige Sprachen, die so exakt und komplex sind, wie unsere liebe Muttersprache (ok, ich gebe zu, Chinesisch kann mithalten). Womit wir beim Thema sind.

Zunächst einmal wissen wir Deutschen überhaupt nicht, WIE komplex unsere Sprache wirklich ist. Persönlich habe ich schon oft gesagt, die deutsche Sprache hat mehr mit Mathematik oder einem Puzzle als mit einer Sprache zu tun. Erst wenn Sie einen Deutschstudenten beobachten, wie er in Kleinstarbeit versucht, den deutschen Satz zusammenzubasteln, begreifen Sie wirklich, was die deutsche Sprache ist.

Da man keinen Deutschunterricht geben kann, ohne die Schüler regelmäßig zum Lachen zu bringen (sonst laufen sie alle weg), ist einer meiner ersten Witze einer über diese Komplexität und seine Konsequenzen.

Die armen Deutschen können doch gar nicht anders als quadratköpfig sein, bei DER Sprache! Stellen Sie sich mal ein kleines Baby vor, das vom ersten Tag an von den Eltern mit diesem Konsonanten-Gewimmel bombardiert wird. Zudem sprechen die Eltern auch noch völlig verdreht mit dem Kleinkind (aus Sicht des Deutschstudenten selbstverständlich) und machen das, was die Lehrerin deklinieren nennt, davon muss man ja kirre werden. Das arme Baby! Die Kreatur kann nach 18 Jahren gar nicht anders als KLMNDRTSGAHKL sein. Logisch?

Damit habe ich das Mitgefühl im Schüler für die armen, deutschen Quadratköpfe und sein Interesse an der schlimmen, schweren und so deutschen Sprache geweckt. Das Eis ist gebrochen.

Aber jetzt mal ehrlich, ist das wirklich ein Witz von mir oder ist da etwas Wahres dran? In keiner meiner anderen Sprachen gibt es so viele detaillierte und spezifische Wörter als in Deutsch. Haben Sie schon mal darauf geachtet, wie viele Vorsilben allein das Wort ‚kommen‘ haben kann? Auskommen, beikommen, ankommen, vorbeikommen, hinkommen, herkommen, heimkommen, hochkommen, loskommen… Soll ich weitermachen? Es sind 30 oder noch mehr. Die meisten dieser Kombinationen haben in den anderen Sprachen ein vollkommen eigenes Wort (keine Kombination aus Vorsilbe und ‚kommen‘) oder sie existieren schlicht gar nicht. Besonders schwer zu erklären ist oft die Vorsilbe ‚hin‘ und ‚her‘, je nachdem, welche die Muttersprache der Deutschstunden ist, ist es leichter oder schwerer.

VIDEO: Rhabarberbarbara – Zusammengesetzte deutsche Wörter (eine Parodie)

Und dann unsere Komposita. Ach, Sie wissen nicht was das ist? Unsere zusammengesetzten Wörter, die in anderen Sprachen über Präpositionen kombiniert werden (schauen Sie mal das Video zur Rhabarberbarbara an). Der normale Deutschstudent versucht am Anfang, unsere langen Wörter als ein einziges Wort zu lesen, was komplett unmöglich ist, denn wir Deutschen lesen diese langen Wörter auch in ihren Teilwörtern. Nein? Na dann probieren Sie mal: Weltmeisterschaftsendrundenteilnehmer. Wie lesen Sie das? Ihr Auge ist trainiert, die Einzelwörter zu erkennen, aber das ausländische Auge ist es nicht. Welt-Meisterschaft-Endrunde-Teilnehmer und Meisterschaft ist nochmal trennbar in ‚Meister‘ und Endsilbe –schaft, genauso wie Teilnehmer aus ‚teilen‘ oder ‚Teil‘ und ‚nehmen‘ zusammengesetzt ist. Jetzt haben sie die Einzelteile, aber dem Deutschlernenden fehlen jetzt seine Präpositionen, um die Einzelteile zusammenzufügen und das Wort in seiner Gesamtheit zu verstehen.

Wenn wir dann zu den germanischen Wörtern kommen, d.h. die Wörter, die nicht auf Latein oder Griechisch zurückgehen und auch keine Fremdwörter sind, wird es besonders lustig. Ganz einfach, zum Beispiel ‚der Kühlschrank‘. Sind Sie sich wirklich bewusst, dass wir sagen ‚der kühle Schrank‘? Oder ‚das Fahrrad‘? Wir sagen, ‚das Rad zum Fahren‘? Macht das Sinn? Ich glaube schon, wenn Sie an die allerersten Fahrräder aus dem 19. Jhd. zurückdenken, mit dem kleinen Hinterrad und einem riesengroßen Vorderrad. Ein Rad zum Fahren, klar? Ganz besonders witzig ist der ‚Hubschrauber‘, aus ‚heben‘ oder ‚der Hub‘ und ‚schrauben‘ oder ‚der der schraubt‘. Leider kenne ich diese Bildsprache aus anderen Sprachen weniger, sprich, ich versuche meinen Schülern mehr Bilder als Übersetzungen zu vermitteln.

Aber sicher denken Sie jetzt, dass das doch gar nicht so wild ist. Na dann kommen wir mal zu unserer Deklination. Sicherlich haben Sie vollkommen vergessen, was das eigentlich ist und wie sie funktioniert. Das passiert uns allen, wir lernen den Akkusativ und Dativ für die Schule und vergessen die Kollegen des Genitivs so schnell als möglich. Meine armen Schüler kennen normalerweise aber keine Deklination in ihren Sprachen, so dass sie sich vor eine komplette Umprogrammierung ihres sprachlichen Denksystems gestellt sehen. Wenn ich Sie bitte, sich vorzustellen, Sie sind ein MacBook Pro, das mit dem operativen System IOS funktioniert, dann verstehen Sie sicher das Problem, wenn ich nun sage, ab heute benutzen wir nichtmehr IOS sondern Android. So ungefähr.

Um es noch klarer zu machen: Was ist der Unterschied für Sie zwischen ‚in die Küche‘ und ‚in der Küche‘? Was ist der Unterschied zwischen ‚in das Kino‘ und im Kino‘? Noch ein Beispiel? ‚In den Park‘ und ‚im Park‘? Können Sie mir sagen, was inhaltlich der Unterschied ist? Nach dem grammatikalischen Unterschied frage ich erst gar nicht. Der erste Teil der Paare ist ein Akkusativ und drückt eine Bewegung zu dem genannten Ort aus. Der zweite Teil der Paare ist ein Dativ, der einen exakte Position ausdrückt. Das bedeutet, dass wir, ohne ein Verb zu benutzen wissen, dass im ersten Fall ein ‚Hin und Her‘ ausgedrückt wird und im zweiten Fall ein fester Ort. Und das nur durch einen Deklinationswechsel, ohne die Präposition zu wechseln wie es andere Sprachen tun. Ich könnte Ihnen hunderte an Beispielen nennen, warum unsere Sprache so exakt und detailliert und damit extrem schwierig zu lernen ist.

Die deutsche Wortstellung macht es dem Schüler nicht einfacher. Wir haben im Deutschen eine Verbklammer, die so manchem den Schlaf raubt. Sie wissen nicht, was eine Verbklammer ist? Trennen Sie das Wort einmal in seine Einzelteile: ‚das Verb‘ und ‚die Klammer‘? Was bedeutet ‚Klammer‘? Eine Klammer ist ein Hilfsmittel, das etwas zusammenhält. Richtig? In diesem Falle halten die Verben als Klammer die anderen Satzteile zusammen. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: ‚Ich habe heute Morgen in der Küche einen Tee getrunken.‘ Die beiden Verbteile ‚habe‘ und ‚getrunken‘ (Perfekt) halten die Objekte des Satzes (Morgen/Küche/Tee) zusammen. Nur leider ist das ein deutsches Phänomen. Weder Spanisch noch Englisch, Französisch oder Italienisch kennen diesen Satzbau. Normalerweise stehen die Verbteile immer zusammen, so dass der Schüler in den ersten Jahren immer verdreht spricht, da es für ihn völlig unvorstellbar ist, die Verben auseinanderzureißen.

Dazu kommt die Struktur unserer Nebensätze, denn die haben auf einmal beide Verbteile am Satzende, wobei der konjugierte Teil, d.h. die finite Verbform, ganz am Ende steht, sprich nicht nur hinten, sondern auch noch andersrum als im Hauptsatz. In unserem Beispiel, angepasst mit Nebensatz, kann man diesen Positionswechsel leicht erkennen: ‚Ich wollte wissen, ob er jeden Morgen in der Küche einen Tee getrunken hat.‘ Wie Sie sehen, ist der konjugierte Teil ‚hat‘ jetzt hinter dem nicht veränderlichen Teil ‚getrunken‘ und ganz am Ende des Satzes (Partizip II). Das muss doch das Glas zum Überlaufen bringen.

Während der Satzbau in anderen Sprachen relativ flexibel ist, ist es der deutsche Satzbau nur innerhalb seines eigenen Systems und bis man das System lernt, vergehen einige Jahre. Wer etwas Anderes verspricht, lügt. Verstehen Sie jetzt warum ich im Unterricht mit den Schülern darüber lache, dass die Deutschen zwangsläufig Quadratköpfe sein müssen?

Wissen Sie, die Deutschen mögen ja Quadratköpfe sein, aber wenn Sie genauer hinschauen, dann sehen Sie aber doch, wie lieb sie eigentlich sind, nur zeigen sie das nicht gleich so deutlich. Stellen Sie sich mal vor, Sie nehmen die beiden Verbteile der Satzklammer in Ihre Hände, ‚habe‘ in die rechte Hand und ‚getrunken‘ in die linke Hand‘. Jetzt bewegen Sie mal Ihre beiden Arme und Hände so zusammen, als wollten Sie jemanden umarmen? Sehen Sie es bildlich vor sich? Genau!! Die Verbklammer ist eigentlich eine liebevolle Umarmung der anderen Satzteile, ist doch klar, oder? Es hat eben jeder seine eigene Form, Gefühle zu zeigen.

Meist habe ich damit die nächsten Lacher im Klassenzimmer.

Und apropos ‚Auseinanderreißen‘? Wissen Sie, dass wir im Deutschen Verben auseinanderreißen? Nein? Kennen Sie unsere trennbaren Verben? Auseinanderreißen ist selbst ein trennbares Verb, es wird beim Konjugieren in zwei Teile getrennt oder ‚auseinandergerissen‘. Ich nenne sie auch die Verben im Reißverschluss-Typ (vgl. das obige Video, Idiomas con Nico): ‚Ich reiße auseinander‘, ‚du reißt auseinander‘, ‚er/sie/es reißt auseinander‘ etc. Aber damit nicht genug. Der ‚abgerissene‘ Teil dieser Verben landet wie alle unveränderlichen Verbteile (siehe oben: ‚getrunken‘) im Hauptsatz am Ende: Ich reiße den Reißverschluss und seine beiden Einzelteile auseinander.‘ Das ist doch zum Verrücktwerden!

Meine Schüler müssen nicht nur das komplette Vokabular erlernen und über Subjekt, Prädikat und Objekt nachdenken. Nein, sie müssen die Verben konjugieren, daran denken, dass es im Deutschen drei Artikel (der, die, das) und nicht nur zwei gibt und das nicht notwendigerweise weiblich gleich weiblich ist (Beispiel: das Mädchen ist sächlich obwohl es weiblich ist). Sie müssen den Satzbau ordnen und zwar komplett entgegengesetzt, wie sie das bislang getan haben und zum Schluss müssen sie auch noch alle Satzteile entsprechend deklinieren: das Subjekt im Nominativ, das direkte Objekt im Akkusativ, das indirekte Objekt im Dativ (soweit man das so schlicht ausdrücken kann) und so weiter…. Wenn das nicht einer mathematischen Formel oder einem Puzzle mit 5000 Teilen gleichkommt, dann weiß ich es nicht.

Ihnen sollte jetzt der Kopf alleine vom Lesen schwirren aber vielleicht verstehen Sie nun mein Eingangsstatement: wir Deutschen sind notwendigerweise Querköpfe, denn wer mit solch einer Sprache groß wird, muss notwendigerweise genauso „quadratisch-praktisch-gut“ wie diese Sprache sein und manchmal von anderen missverstanden werden. Ich glaube, das Vorurteil der Quadratköpfe hat eine proportionale Relation zu der Komplexität unserer Sprache.

Ich könnte endlos weitererzählen (noch ein trennbares Verb!), denn in 5 Jahren Sprachunterricht, kommt so einiges zusammen. Wenn Sie mehr zu dem Thema deutsche Sprache lesen wollen, dann lassen Sie mir gerne einen Kommentar unter diesem Beitrag.

 

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Nicole Martín Medina

Las Palmas de Gran Canaria

Mai 2022

 

Hinweis: 

Dieser Beitrag ist auch auf Spanisch verfügbar: https://nicolemartinmedina.com/cabezas-cuadradas-alemanes/

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