Symphonische Musik mit ihrem Reichtum an Komplexität und Vielfalt ist das Ergebnis der Zusammenarbeit von talentierten Musikern, die meisterhafte Kompositionen zum Leben erwecken. Doch hinter der Majestät eines Sinfonieorchesters verbergen sich Geheimnisse und Kuriositäten, die der Öffentlichkeit oft verborgen bleiben.
In diesem Text erläutern wir zehn faszinierende Aspekte, die diese Welt charakterisieren, von den Besonderheiten der Instrumente, aus denen sich das Orchester zusammensetzt, bis hin zu der Art und Weise, wie die Musiker während einer Aufführung kommunizieren und sich koordinieren. Jedes dieser Elemente bereichert nicht nur das musikalische Erlebnis, sondern offenbart auch die Hingabe und Kunstfertigkeit, die erforderlich sind, um bei jeder Aufführung eine perfekte Harmonie zu erreichen.
1.) DER DIRIGENT – Wie ist es möglich, dass ein Dirigent alle Noten aller Instrumente gleichzeitig in einer einzigen Partitur lesen kann?
Zunächst einmal fasst die Dirigentenpartitur alle Stimmen aller Instrumente in einer einzigen, sehr großen Partitur zusammen, die in der Regel mindestens doppelt so groß ist wie eine normale DIN-A4-Partitur. Würde man sie bei Werken mit einem großen Notensystem auf DIN-A4-Papier drucken, würden die Noten sehr klein aussehen. Was übrigens für einen erfahrenen Dirigenten kein Problem wäre.
In der Gesamtpartitur sieht man, Notensystem für Notensystem, in einer bestimmten Reihenfolge. Zuerst die Holzbläser (Flöten, Oboen, Klarinetten, Fagotte), dann die Blechbläser (Hörner, Trompeten, Posaunen, Tuba), die Schlaginstrumente, Harfe und Klavier, falls vorhanden, dann die Schlaginstrumente, ggf. der Chor- oder Solistenpart und zuletzt die Streichinstrumente (Geigen, Bratschen, Violoncelli und Kontrabässe), so dass normalerweise nur ein Notensystem –eine Leselinie – pro Seite möglich ist.
Die Takte pausierenden Instrumente können in der Partitur unterdrückt werden, so dass manchmal 2 oder 3 Notensysteme auf eine Seite passen können. Auf jeden Fall hat der Dirigent hier eine Menge Noten auf einmal zu lesen.
Diejenigen unter meinen Lesern, die vielleicht ein bisschen Klavierunterricht hatten, wissen sicher, wie schwer es ist, Akkorde mit 3 oder mehr Noten für jede Hand zu lesen, und das in 2 verschiedenen Notenschlüsseln. Man beginnt von unten nach oben zu lesen, eine nach der anderen, und – Halleluja!!! – wenn man den kompletten Akkord erfasst hat.
Wie macht das ein Dirigent bei einer Vielzahl teilweise transponierender Instrumente, die in anderen Tonarten klingen als sie gelesen werden, und mit Akkorden mit vielleicht 15 oder mehr Noten?
Sicherlich ist es eine Kunst, die Gesamtpartitur zu lesen, die viel Übung und Erfahrung erfordert. Sie erfordert auf jeden Fall allgemeine Kenntnisse aller Instrumente und ein weitsichtiges Lesen.
Dirigenten sind Profis, die dafür ausgebildet sind, mehrere Aufgaben gleichzeitig zu erledigen. Die Partitur ist ihr geringstes Problem, denn sie haben sie vorher auswendig gelernt, Stimme für Stimme, Instrument für Instrument. Auf diese Weise können sie sich, sobald sie vor dem Orchester stehen, auf musikalische Fragen, Techniken und besonders wichtige Passagen konzentrieren, je nach Instrumenten, Instrumentengruppen, Solisten oder anderen Kriterien, und vor allem das tun, wozu sie gekommen sind: dirigieren. Die Gesamtpartitur ist für sie nichts weiter als ein Skript.
Es liegt auf der Hand, dass das Lesen und Dirigieren eine hoch konzentrierte Tätigkeit ist, was erklärt, warum Dirigenten Konzerte oft erschöpft beenden.
Mit den notwendigen harmonischen und rhythmischen Kenntnissen ist es oft nicht notwendig, alle Noten einzeln zu lesen, da bekannt ist, welche Note zu einer bestimmten Tonart gehört oder welche Merkmale die einzelnen Takte oder Rhythmen haben. Wenn ein Dirigent die Partitur im voraus studiert, verschafft er sich einen Überblick über jeden Abschnitt des Werks und konzentriert sich auf die Instrumentengruppen, die einen bestimmten Rhythmus aufweist oder auf die Einsätze der Instrumente mit den Hauptmelodien, auf die Dynamik, das Tempo, die Rhythmuswechsel oder die sonst wie wichtigen Abschnitte. Wenn er dirigiert, gibt er seine allgemeine Vision und Analyse des Werks wieder, obwohl er bei den Proben jeden Abschnitt aufschlüsselt, um ihn mit dem Orchester zu bearbeiten und die für ihn ideale Interpretation zu erreichen.
Wie dem auch sei, es ist unglaublich bewundernswert. Ich glaube nicht, dass ein Dirigent einen Gehirnchirurgen um seine Präzision beneiden muss.
Um Ihnen eine Vorstellung zu geben: Mit meinen musikalischen Kenntnissen aus dem Klavier-, Gesangs- und Flötenunterricht sowie der Chorleitung und Musiklehre kann ich keine allgemeine Partitur lesen.
Ich verliere mich immer wieder. Sollte es dann doch einmal notwendig sein, was gelegentlich vorkommt, muss ich die Gesamtpartitur im voraus vorbereiten, indem ich die führenden Instrumente, die Leitmotive und alle notwendigen Besonderheiten mit verschiedenen Farben markiere. Anhand von Pfeilen, die das Lesen vereinfachen, kann ich mich mehr oder weniger orientieren. Ich kann dem Orchester dann auf jeden Fall folgen. Mehr geht aber nicht. Von diesem meinem Ausgangspunkt bis zum flüssigen Lesen einer Gesamtpartitur ist es ein Quantensprung, der Quantensprung des Orchesterdirigierens.
Und wenn Sie mich jetzt bitten würden, beim Dirigieren auch nach oben zu schauen, das Orchester anzuschauen und die Hände zu bewegen, würde ich wahrscheinlich auf der Stelle ohnmächtig werden vor lauter Stress. Womit Sie auch wissen, warum mir das Dirigieren eines Chores nicht besonders gefallen hat …..
2.) SCHLAGZEUGINSTRMENTE & IHRE PARTITUREN – Wie sehen eigentlich die Noten der Schlagzeuger aus?
Die Schlagzeuggruppe ist kein einzelnes Instrument, sondern sie besteht aus einer Reihe von Instrumenten. Wir alle kennen die Pauke, das Xylophon, das Vibraphon, die kleine Trommel, das Tantam, die Zimbeln, die Tubular Bells (Röhrenglockenspiel), die Triangel, die Kastagnetten, usw.
Je nach Art des Instruments enthält die Partitur normale Noten oder andere musikalische Figuren, d. h. Symbole. Besonders wenn es um Schlagzeugeffekte jenseits der Melodie geht, müssen spezifische Symbole oder ausdrückliche Angaben in der Partitur verwendet werden.
Zu diesem Zweck verwenden Komponisten oft Legenden für ihre Partituren. Es gibt Legenden speziell für jedes Schlaginstrument (z. B. Prokoviev) oder eindeutige Partituren für alle Instrumente gemeinsam (z. B. Schostakowitsch). Im ersten Fall findet man in der Legende beispielsweise ein Symbol für Crash Becken oder Hängebecken.
Im zweiten Fall wird jedem Instrument eine beliebige Note zugewiesen, z. B. A für die Triangel und C für die Becken. Es geht also nicht um den Klang, der durch A und C repräsentiert wird, sondern um den Einsatz dieser beiden Schlaginstrumente.
Vergessen Sie nicht, dass bei Xylofonen, Vibraphonen, Marimbas, Glockenspielen usw. die Notation die gleiche ist wie bei den anderen Instrumenten, da sie alle Töne mehrerer Oktaven haben.
3.) SCHLAGZEUG & PAUKEN – Und wenn wir schon beim Thema Schlagzeuger sind: Wie ist es möglich, dass es nur vier Pauken gibt? Es gibt also nur 4 Noten?
Zunächst sollten wir klarstellen, dass es 5er-Paukensätze gibt, auch wenn in unserer Region häufig nur 4er-Paukensätze zum Einsatz kommen. Es kommt außerdem auf den Komponisten und den Entstehungszeitpunkt des Werkes an, ob nur zwei oder mehr davon verwendet werden.
Aber kommen wir zurück zur Frage.
Diese Frage hat mich viele Jahre lang beschäftigt, und ich glaube, ich bin nicht die Einzige. Vor Jahren schon habe ich bei Konzerten akustisch festgestellt, dass die Pauken nicht immer gleich klingen, aber ich habe oft nur 4 Trommeln gesehen. Außerdem kann man bei Konzerten immer wieder dieses scheinbar seltsame Verhalten der Musiker von weitem beobachten, nämlich, dass die Pauker sich regelmäßig ganz tief über ihr Instrument runterbeugen und fast eine Wange auf die Membran leben, als ob sie etwas hören oder mit ihm kommunizieren wollten.
Wenn ich heute an diese Zeiten denke, muss ich lächeln.
Pauken sind membranophone Instrumente, was bedeutet, dass der Klang durch eine gespannte Membran erzeugt wird. Diese Membran, die aus Leder oder Kunststoff besteht, wird als Trommelfell bezeichnet. Je straffer es ist, desto höher klingt es. Und umgekehrt: Je lockerer die Spannung, desto tiefer der Klang.
Meine Beobachtung war also nicht ganz abwegig.
Die Stimmung der Pauken erfolgt nach Tönen. Mit einem Satz von 4 Pauken von normalerweise 32, 29, 26 und 23 Zoll können nur 4 Töne gleichzeitig erzeugt werden. Jede Pauke kann im Bereich einer Sexte gestimmt werden, und zwischen einem ganzen Satz Pauken ist es möglich, die Töne von bis zu 3 Oktaven zu erzeugen.
Die verschiedenen Pauken eines Sets werden in der Regel in Quinten gestimmt, d.h. der Abstand von einem Ton zum anderen beträgt 5, um einen optimalen Klang zu erzielen. So weit, so gut.
Was man aus der Ferne nicht sehen kann, ist der Stimmmechanismus der Trommeln: die grobe Stimmung per Fußpedal und die Mikrostimmung per Handkurbel. Und jetzt macht die Geste, die ich immer beobachtet habe, Sinn: Wenn sich der Pauker nach vorn beugt, um die Stimmung seines Instruments zu überprüfen, vergleicht er sie mit dem Rest des Orchesters, das als Referenz dient.
Um alle möglichen Töne auf einer einzelnen Trommel zu hören, muss man das Trommelfell mit dem Pedal anspannen oder lockern. Je stärker man das Pedal drückt, desto gespannter wird das Trommelfell und desto höher klingt der Ton. Es handelt sich um ein allmähliches Ansteigen und Abfallen des Tons, wie bei einem Glissando, nicht um einen Sprung wie bei einem wohltemperierten Instrument.
Wenn die Membran oder das Trommelfell aus einem künstlichen Material besteht (in britischen Orchestern üblich), sagen wir Kunststoff, gibt es so genannte „Verräter“, die dem Pauker helfen sollen. Dabei handelt es sich um Markierungen auf dem Trommelfell, die anzeigen, wie stark die Membran angezogen oder gelockert werden muss, um eine bestimmte Tonhöhe zu erreichen. Bei Fellen aus Naturmaterial ist dies nicht möglich. Der Musiker muss den Klang immer nach Gehör kontrollieren.
Das Kurioseste und Komplizierteste an der ganzen Geschichte ist die Tatsache, dass die Ledermembranen, die in Spanien oder Deutschland in Symphonieorchestern
üblich sind, von Temperatur und Luftfeuchtigkeit des Raumes, in dem sie aufgestellt sind, beeinflusst werden. Das hat zur Folge, dass die Position des Trommelfells nicht immer bei jedem Ton die gleich ist.
Ist das nicht alles faszinierend?
4.) DIE STREICHER – Wie ist es möglich, dass alle Streicher in einem Orchester die Bögen gleichzeitig auf und ab bewegen?
Auch zu dieser Frage fällt mir eine nette Anekdote aus meiner Vergangenheit ein.
Vor vielen Jahren war ich bei einem Konzert eines recht berühmten Orchesters, dessen Namen ich besser geheim halte, und genoss ein klassisch-romantisches Programm mit vielen Streichern. Im Prinzip hat es mir ausgezeichnet gefallen.
Allerdings blieb bei mir ein komischer Beigeschmack zurück, weil für mich als Nicht-Profi-Musiker der Eindruck entstanden war, dass in dem Ensemble ein sägeähnlicher Klang zu hören war. Ich konnte es nicht wirklich identifizieren, aber es klang ein wenig wie Sägen, die Holz schneiden.
Rischi, ratschi. Ritschi, ratschi.
Ich hätte es nie gewagt, dieses Orchester zu kritisieren, aber heutzutage würde ich so etwas auch nicht mehr von einem Eliteorchester erwarten. Niemals.
Als ich das Konzert verließ, traf ich einen befreundeten Musiker und fragte ihn nach meiner Beobachtung. Mit dem nötigen Respekt. Ich wollte es schlicht verstehen.
Und da erfuhr ich zum ersten Mal etwas über die Bewegung der Bögen. Was ich gehört hatte, war die Folge einer fehlenden Vor-Markierung der Platzierung der Bögen in der Partitur. Da ich es nicht besser wusste, hatte ich optisch nicht bemerkt, dass sich alle Bögen der Geigen auf ihre eigene Weise bewegten. Denn der Effekt war nicht nur hörbar, sondern für das aufmerksame Auge auch deutlich sichtbar.
Wir haben übrigens nie den Grund für diesen sägeähnlichen Klang erfahren, ich weiß bis heute nicht, was genau passiert war, dass jeder ein bisschen so spielte, wie er Lust hatte.
Damit alle Saiten gleichmäßig klingen, müssen die Musiker die Bögen zur gleichen Zeit und auf die gleiche Weise heben und senken, dabei die gleichen Bereiche des Bogens benutzen (mehr mit der Spitze, näher am Steg), d. h. mit der gleichen lokalen Position. Wichtig ist dabei auch vor allem die Geschwindigkeit der Bewegung, also wie viele Töne mit einer Aufwärts- oder Abwärtsbewegung gespielt werden, wobei auch das Gewicht, mit dem sich der Bogen auf den Saiten bewegt, variieren kann. Das klingt kompliziert bei so vielen Geigen und Bratschen usw.
Mit diesem Beispiel werden Sie es besser verstehen: Jeder weiss doch sicher, was ein Blasebalg ist? Nun stellt Sie sich vor, 15 Personen benutzen gleichzeitig einen Blasebalg. Die Bewegungen der beiden Teile des Blasebalgs müssen also von allen 15 Personen auf die gleiche Art und Weise bewegt werden, damit jeder von ihnen die gleiche Menge Luft in der gleichen Intensität und in die gleiche Richtung bläst. Etwas Ähnliches gilt für die Bögen von Streichinstrumenten.
Daher sagen manche, dass Geigen, Bratschen, Celli usw. eher Streichinstrumente als Saiteninstrumente sind. Eine Gitarre ist zwar auch ein Saiteninstrument, aber sie verwendet keinen Bogen und ist nicht mit der hier beschriebenen Komplikation konfrontiert.
Um die gewünschte Einheitlichkeit des Klangs in einem Orchester zu gewährleisten, werden Anmerkungen in der Partitur verwendet, die den Solisten jeder Gruppe vordefinieren. Die Archivare eines Orchesters sind dafür zuständig, diese Angaben in die Partituren des gesamten Orchesters zu kopieren. Ein Symbol, das einem V ähnelt, bedeutet, dass sich der Bogen von unten nach oben bewegt, und ein anderes Symbol, das einem kleinen n ähnelt, bedeutet das Gegenteil, dass sich der Bogen von oben nach unten bewegt. Die Häufigkeit dieser Symbole entlang der Notenlinie bestimmt die Geschwindigkeit der Bewegung.
Hier haben Sie ein Beispiel:
Schließlich wird, im Einvernehmen mit dem Dirigenten, der die Einsätze markiert und das Zusammenspiel koordiniert, auf einmal wie von Zauberhand von allen ein einziger, einheitlicher Klang erzeugt.
Und damit haben die musikalische Säge aus dem Orchesterklang entfernt .
Sagen Sie bitte nicht, das sei nicht super interessant und faszinierend…
5.) DIE PEDALE DER HARFE – Warum hat eine Harfe 7 Pedale, wenn ein Klavier nur 3 hat, aber viel mehr Saiten?
Und hier geht es weiter mit Merkwürdigkeiten, die dem Zuschauer, der von den Geheimnissen eines Orchesters nichts weiß und nur von außen beobachtet, auffallen.
Wir stellen uns vor, dass Klein-Pedro auf der einen Seite eine Harfe und auf der anderen Seite ein Klavier beobachtet. Und plötzlich bemerkt er, dass die Harfe ähnliche Pedale hat wie das Klavier. Was ihn fasziniert, ist, dass die Harfe viel weniger Saiten hat als ein Klavier, dafür aber mehr Pedale.
Tatsächlich hat die Harfe 47 Saiten (Töne) mit 7 Pedalen und das Klavier hat 88 Töne (meist mit mehreren Saiten) mit nur 3 Pedalen.
Ergibt das einen Sinn, obwohl die Pedale sehr ähnlich aussehen?
Ja, das macht Sinn, denn die Funktion der Pedale ist in beiden Fällen völlig unterschiedlich. Während die Pedale bei der Harfe den Tonumfang erhöhen, verändern sie beim Klavier den Klang der Töne.
Schauen wir uns das mal genauer an: Der Flügel oder Konzertflügel (die vertikalen Klaviere sind etwas anders) hat 3 Pedale.
- Das Dämpferpedal (links), um die Intensität des Tons abzuschwächen,
- Das Resonanzpedal (rechts), um die Schwingung des Klangs aufrechtzuerhalten,
- Und in der Mitte das Akkordpedal, das kaum noch benutzt wird und dem gespielten Akkord nur dann Resonanz verleiht, wenn es gedrückt wird.
Die 7 Pedale der Harfe jedoch haben einen ganz anderen Zweck. Sie modulieren die sieben Oktavtöne, nach denen die Harfensaiten gestimmt sind, um jeweils einen Halbton. Der Mechanismus jedes Pedals kann zweimal betätigt werden, d. h. zwei Halbtöne für jede Saite bzw. Ton.
Eine in C gestimmte Saite kann also mit einem Pedal nach Cis- und D erhöht werden. Die Harfenpedale erweitern damit den Tonumfang des Instruments, haben aber nichts mit der Dynamik oder der Lautstärke des Klangs zu tun.
Klein-Pedro, alles klar?
6.) HANDGEFERTIGTE OBOENROHRE – Wussten Sie, dass Oboisten ihre Mundstücke bzw Rohrblätter nicht kaufen, sondern selbst herstellen?
Eine Google-Suche zeigt, dass man Oboen Mundstücke kaufen kann. Aber Oboisten, die etwas auf sich halten, stellen ihre Rohre selbst her. Ja, das ist kaum zu glauben.
Das Oboen Mundstück wird aus einer rechteckigen Holzscheibe, dem sogenannten Spaten, geformt, der in der Mitte umgebogen wird. Nach dem Biegen wird es mit einem Nylonfaden an einem Messingrohr befestigt, das mit Kork überzogen ist. Dieses Teil wird auf Spanisch Tudel genannt. Nach meinen Forschungen heißt es auf Deutsch einfach nur Rohr. Aber ich lasse mich gerne aufklären, wenn es jemand besser weiß.
Diese zusammengesetzten Teile sind nur von kurzer Dauer, sie halten bestenfalls 6 bis 12 Wochen, da sie sehr empfindlich auf Wetter- und Feuchtigkeitsschwankungen reagieren.
Und das bedeutet jede Menge zusätzliche Handarbeit für professionelle Oboisten.
Wir sprechen hier von einer Handwerkskunst, die großes Geschick und einen mühsamen Prozess erfordert, um das Ergebnis zum Klingen zu bringen, da das Rohrblatt logischerweise direkt die Stimmung des Instruments beeinflusst. Die Oboe ist schon an sich eines der schwierigsten Instrumente, wenn es darum geht, ihr einfach nur mal einen Ton zu entlocken. Grund dafür ist das Oboenrohr.
Es ist verständlich, dass Anfänger ihre Rohre nicht selbst herstellen, aber Experten tun es. Man sieht sie immer mit einer kleinen Schachtel mit mehreren Blättern verschiedener Härtegrade und Arten.
Wenn man bedenkt, wie hochentwickelt viele der heutigen Instrumente sind, ist es erstaunlich, dass immer noch handgefertigte Teile verwendet werden.
7. DIE HÄNDE DES PIANISTEN UND DAS NOTENLESEN – Benutzt ein Pianist immer alle 10 Finger, auch wenn er sehr schnell spielt? Kann er ständig so viele Noten gleichzeitig lesen?
Ein Pianist benutzt selten alle 10 Finger gleichzeitig, das wäre ziemlich unangenehm, aber Sie wissen ja, ich bin kein Pianist. Ich würde sagen, man benutzt durchschnittlich 6 bis 8 Finger gleichzeitig. Soweit mein Klavierunterricht.
Was das Notenlesen des Pianisten angeht, können wir uns auf das Gesagte der Kuriosität Nº 1 mit dem Dirigenten beziehen. Es ist teilweise ähnlich. Aber nur etwas.
Je nach Fall ist die Partitur direkt entweder für Klavier geschrieben oder es handelt sich um einen Klavierauszug. Der Klavierauszug ist eine spezielle Partitur, die ein Werk für Orchester in eine Zusammenfassung von nur 2 Notensystemen und 10 Fingern umwandelt.
Der Pianist muss außerdem nicht immer Note für Note lesen. Ähnlich wie ein Dirigent konzentriert er sich auf die Haupttöne der Tonart, das Leitmotiv oder wichtige Details. Sein Muskelgedächtnis hilft ihm, die richtigen Tasten zu finden, ohne überhaupt hinzusehen oder nachzudenken.
Solopianisten kennen die Konzerte in der Regel auswendig und Repertoirepianisten synthetisieren die Harmonien des Klavierauszugs. Zu diesem Zweck üben sie zunächst verschiedene Stimmen oder die beiden Hände separat, bevor sie alles zusammenfügen.
Mich persönlich erinnert das ein wenig an das, was wir fotografisches Gedächtnis nennen, das wir alle kennen: Es ist nicht notwendig, Note für Note eines Akkords zu lesen, denn der Akkord wird als Ganzes wahrgenommen, als Bild sozusagen. Aber das erfordert Konzentration, Auswendiglernen, Muskelgedächtnis und schlicht viel Übung über Jahre hinweg.
Ja, und wenn dann eben Herr Rachmaninow will, dass Sie 10 Finger auf einmal benutzen, oder Herr Liszt Sie dazu auffordert, einen Finger so weit auszustrecken, dass er den maximal denkbaren Stimmumfang abdeckt, dann müssen Sie da eben durch und viel üben.
Sehr, sehr viel.
So ist es eben, ein Musiker zu sein.
8.) DIE GRÖSSEN DER INSTRUMENTE – Wenn die Streicher immer in vier Größen vorhanden sind (Geige, Bratsche, Cello und Kontrabass), gibt es dann auch vier Größen für die anderen Instrumente? Zum Beispiel: gibt es vier Größen für Flöten, Klarinetten usw.?
Aber ja, meine Damen und Herren. Obwohl sie nicht immer verwendet werden, gibt es nicht nur Streichinstrumente in verschiedenen Größen und Stimmungen.
Flöten, Oboen, Fagotte, Hörner, Posaunen usw. gibt es auch als Sopran, Alt, Tenor und Bass Instrumente. In einigen Fällen ändert sich dabei der Name mit der Tonhöhe. So ist zum Beispiel die Alt-Oboe das Englisch Horn, die Alt-Sopran-Klarinette heißt Requinto (Quart- oder Diskantklarinette) und die Alt-Klarinette Bassetthorn.
Aber es gibt noch viele weitere Beispiele, ich füge aber nur drei als Fotos bei:
9.) DAS GRÖSSTE ORCHESTRA DER GESCHICHTE – Es spielen nicht immer alle Musiker eines Orchesters in jedem Programm: Welches ist das größte Orchester, das es je gab?
Die Zahl der Musiker auf der Bühne hat sich im Laufe der Musikgeschichte erhöht. Ein Barockorchester (ca. 35 bis 55 Musiker) hat nichts mit einem klassischen (ca. 85 bis 95 Musiker), romantischen (ähnlich der Klassik) oder zeitgenössischen (+ 100) Orchester zu tun.
Mahlers 8. Sinfonie gilt als das Werk, das die meisten Musiker gleichzeitig auf die Bühne bringt: 118 Musiker, 2 große gemischte Chöre und ein männlicher Kinderchor sowie 8 Gesangssolisten sind dafür erforderlich.
Zeitgenossen des Komponisten nannten diese Symphonie die Symphonie der 1000, weil Mahler mit so viel Personal die Klangkapazitäten seiner Zeit auf die Spitze treiben wollte.
Ich bin zwar kein Musiker, aber ich würde sagen, dass Schönbergs Gurre-Lieder mit 140 Musikern nur noch mehr Leute hinter demselben Dirigenten versammeln.
Ich will mir aber nichts anmaßen, das mir nicht zukommt, das ‚größer, schneller, weiter‘ überlassen wir der Autoindustrie.
Aber es können wirklich erstaunliche Zahlen an Personen sein, die alle zusammenspielen und atmen, alle im gleichen Takt.
10.) DIE GESCHLOSSENEN AUGEN DER MUSIKER – Wie ist es möglich, dass manche Musiker, vor allem Solisten, in einem Orchester mit geschlossenen Augen spielen und dabei kein Chaos im Tempo des Ensembles verursachen?
Unter dem letzten Punkt für heute sprechen wir von einer Kuriosität, die etwas weniger technisch, aber gleichzeitig intimer und persönlicher ist. Die geschlossenen Augen der Musiker.
Ja, ja. Ich weiß, wir haben schon über das Lesen von Partituren und Fragen der Tonstimmung gesprochen, die alle die Mithilfe des visuellen Sinns voraussetzen. Und doch sehen wir regelmäßig Künstler mit geschlossenen Augen auf der Bühne. Es ist schön, dass sie ihren Auftritt intensiv genießen, aber behindern sie mit dieser Haltung nicht das ganze Ensemble?
Nein, ganz ruhig, das tun sie nicht! Zumindest nicht, wenn sie wissen, was sie tun.
Zunächst einmal gibt es in einem Orchester immer eine vorherige Absprache über Tempo und Rhythmus. Wenn es nicht direkt in der Partitur festgelegt ist, wird es vom Dirigenten bestimmt. Ein erfahrener Musiker hat ein außerordentliches Feingefühl entwickelt, einen exakten inneren Puls, und er behindert niemanden, wenn er die Augen für einen Moment schließt.
Andererseits gibt es aber nicht nur eine Kommunikation zwischen Orchester und Dirigent, sondern auch zwischen den Musikern selbst, die durch Mikrogesten, Augenkontakt und Blicke, ja sogar durch Körperbewegungen so miteinander kommunizieren, dass ein „verlorener“ Hinweis durch geschlossene Augen in Millisekunden wiedergutgemacht wird.
Letztendlich ist es eine Kombination aus Vorwissen und verschiedenen Kommunikationsmitteln, die es dem Musiker ermöglichen, seine Augen für eine Weile zu schließen.
Mir persönlich macht es Spaß, diese Mikrogesten und die Kommunikation zwischen Kollegen bei einem Konzert zu entdecken und zu erleben.
Achten Sie einmal darauf, wenn Sie das nächste Mal die Gelegenheit haben!
Nicole Martín Medina
Las Palmas de Gran Canaria
Dezember 2024
(Original Spanisch, deutsche Übersetzung Deepl, Revision NMM)
*****
Der Artikel ist auch verfügbar auf:
SPANISCH (Original):https://nicolemartinmedina.com/10-secretos-orquesta-sinfonica/
ENGLISCH: https://nicolemartinmedina.com/en/10-secrets-symphony-orchestra/
Die folgenden Musiker und Kollegen des Philharmonischen Orchesters von Gran Canaria haben mir bei diesem Artikel helfend zur Verfügung gestanden. Für ihre kritischen Kommentare und Geschichten bin ich sehr dankbar
Ich danke ihnen allen sehr herzlich!
Humberto Armas – Violine II Solist OFGC
Verónica Cruz – Englischhorn-Solistin OFGC
Luis Montesdeocca – Leiter des OFGC-Archivs, Orchesterdirektor & Violine
Paco Navarro – Paukist OFGC
Nauzet Mederos – Pianist und Korrepetitor des OFGC-Chores