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Nicole Martín Medina

Gestora Cultural – Abogada/MBA

🎻Ein verrückter Tag im Leben eines Orchestermanagers 🎭

Falls Sie dachten, nur die ersten Geigen hätten zu leiden...

 

 

🎼Teil 1: Der tägliche Wahnsinn – wie das Leben so spielt

7:30 Uhr – Der Wecker klingelt und ich habe bereits eine Nachricht vom Gastdirigenten der Woche: „Haben Sie meine schwarzen Schuhe gesehen?“ Die Gala-Schuhe. Ich finde sie nicht! Ich antworte mit einer Tasse Kaffee in der Hand, während ich meine eigenen Schuhe zumache, hinausrenne und meine Seele noch in Mahlers vierter Sinfonie von letzter Nacht schwebt. Ich bin nicht einmal sein Stylist, aber in diesem musikalischen Dschungel macht man alles – nur keine Instrumente stimmen.

8:30 Uhr – Ankunft im Orchesterbüro. Ein Klarinettist mit Kriegsblick empfängt mich: „Der Dirigent will das Programm wieder ändern… und das außerhalb der tariflichen Fristen.“ Perfekt. Ein Glück habe ich gerade meinen Kurs in emotionaler Selbstkontrolle erfolgreich absolviert. Ich entschuldige mich bei dem Musiker (wieder einmal) und verspreche, dass es diesmal wirklich das letzte Mal sein wird. Außerdem informiere ich das künstlerische Team und die Produktion entsprechend.

10:00 Uhr – Produktionsbesprechung. Eine Stunde lang diskutieren wir, ob wir tiefblaues Licht oder ‚melancholisches Mitternachtsblau‘ verwenden sollten. Schließlich schlägt der Beleuchtungstechniker ‚ein Blau, das nicht stört‘ vor – und alle nicken erleichtert.

12:30 Uhr – Generalprobe. Der Schlagzeuger beschwert sich, weil der technische Assistent die großen Becken vergessen hat. Die, die klingen, als würde der Himmel einstürzen. Lösung? Die Praktikantin auf eine lebensbedrohliche Mission durch das gesamte Orchestergebäude schicken. Pech nur: Das ist im Gebäude gegenüber, nicht in der Konzerthalle. Sprich, das dauert. Wir wünschen ihr Glück und geben ihr ein Foto zur Orientierung. Eine Schatzsuche – ohne Karte, ohne Preis.

13:47 Uhr – In meinem Büro. Das mit dem schlechten Internet. Für Kulturmanager in Not ist Technik immer zu langsam. Ein Gastmusiker aus Kairo will seine Reise- und Unterkunftskosten zurück. Ich bitte um die Rechnung. Aber was er mir in die Hand gibt, ist alles – nur keine Rechnung: Buchungsbestätigungen, Zahlungsbestätigungen, Bonbonpapier und sogar ein Liebesbrief seiner Frau. „Wenn auf dem Papier nicht  das Wort FACTURA–INVOICE–RECHNUNG–الفاتورة steht, ist es keine Rechnung!“ – erkläre ich verzweifelt. Das ist mein meist gesagter Satz pro Woche.

14:00 Uhr – Eine Journalistin kommt, um die Konzertmeisterin zu interviewen. Aber sie versteckt sich hinter einem Notenständer und sagt: „Interviews sind für Popstars, und ohne mein Galakleid wird kein Foto gemacht.“ Ich lächle und improvisiere eine Backstage-Führung (*Spoiler: Ich suche händeringend Hilfe*) und am Ende spricht der Intendant vor der Kamera. Große Freude: Auch ich werde im Bericht erwähnt – als ‚Schlüsselfigur des Teams, das alles zusammenhält‘. Na gut… ein wenig stimmt das schon.

14:58 Uhr – Kurz vor dem Mittagessen. Laptop aus. Ein Harfenist (nicht zu verwechseln mit einer Harpyie – ein Harfenist spielt Harfe!) kommt herein und will sich beschweren, dass es diese Woche keine Eintrittskarten für Musiker gab. Ich bin hungrig und unter Zeitdruck wegen der Abendvorstellung, zu der ich pünktlich zurück sein muss – mein Magen antwortet ihm mit einem Knurren. Übersetzt auf gut Deutsch: Das Konzert ist ausverkauft. Sorry – keine Karten.

 

🎼Teil 2: Das Backstage – ein Paralleluniversum

Wenn die Bühne ein Meisterwerk an Ordnung und Harmonie ist, ist der Backstagebereich ihr Gegenteil: ein chaotisches Ballett aus Kabeln, halb leeren Kaffeetassen, Musikern, die in allen Tonarten des Stresses stimmen, und Produktionsteams, die mit Funkgeräten, Handys und Stirnrunzeln hin- und herrennen.

19:00 Uhr – Während das Publikum seine Plätze einnimmt und im Programmheft blättert (frisch gedruckt, riecht noch nach Tinte, trotz QR-Code), herrscht hinter der Bühne ein rituöses Nervenflattern. Die Konzertmeisterin übt ihr Solo zum hundertsten Mal, die Kontrabassisten versuchen, niemanden mit ihren schrankgroßen Instrumenten umzurennen, und der Orchesterwart fragt mich, ob ich die Noten des zweiten Satzes gesehen habe. (*Spoiler: Ich habe sie nicht angefasst, und unser Orchesterwart würde diese Frage niemals mir aus dem KBB stellen, sondern eher meinen Kollegen aus dem Archiv*). Und da, was ist das? – Vegane Sandwiches! Für wen wohl?

Apropos Catering: Immer fehlt jemandem Essen oder Wasser. „Schon wieder kein Wasser!“, ruft ein Posaunist – drei Minuten vor Konzertbeginn. Die verfehlen den Zeitpunkt nie. Also servieren wir Wasser aus dem Kanister wie französischen Wein. Die Musiker stoßen an – sie sind großherzig und großzügig – tun es mit einem Hauch Resignation.

20:00 Uhr – Showtime! Alles scheint unter Kontrolle. Der Dirigent ist inspiriert, das Orchester gestimmt, das Publikum gespannt. Nur – die schwarzen Schuhe des Dirigenten fehlen immer noch. Und da: Er geht mit neongelben Turnschuhen auf die Bühne. Herrje! Schrill. Brillant. Absolut Protokoll-widrig. Aber: Er dirigiert wie ein Engel.

 

🎻Teil 3: Das Konzert – oder wie man so tut, als sei alles geplant gewesen

Wenn das Licht dimmt und die erste Note erklingt, beginnt die Magie. Niemand im Publikum ahnt, dass der Cellist fast gestürzt wäre oder die Sopranistin improvisieren musste, weil jemand vergessen hatte, ihr die Tür zu öffnen (der Praktikant… wieder einmal, der Arme).

Ich sitze neben dem Mischpult (*Spoiler: besser gesagt die ultimative Schaltzentrale, nur dass es nicht mal einen Stuhl für mich gibt*) und sehe, wie sich jede Geste in Kunst verwandelt, wie Fehler elegant verschwinden und das Tageschaos zu unendlicher Schönheit wird.

Das ist das Beste an diesem Job: Am Ende lohnt es sich immer.

 

☕Teil 4: Epilog

22:30 Uhr – Riesenapplaus, Standing Ovations, Blumen, Umarmungen. Der Vorhang fällt – (*Spoiler: gibt gar keinen, wir sind im Konzertsaal, aber es klingt so gut, en Vorhang zu erwähnen, aus dramaturgischen Gründen*), aber keiner geht. Lachen, Fotos, Sprüche werden ausgetauscht: „Ich war einen Takt zu spät! Hast du’s gemerkt?“. Die zwei Blondinen der Künstlerabteilung mitten im Selfie-Sturm. Die lassen sich kein Foto entgehen. Und am Ende: das Mysterium des verschwundenen Notenständers. Wer in Gottes Namen sammelt Notenständer?

Ach ja, und die Schuhe des Maestros? Tauchen auch wieder auf. In einem Kühlschrank. Dem Kühlschrank in der Nachbarumkleidekabine. Neben der Coca-Cola des Dirigenten der letzten Woche. Bloß keine Fragen stellen.

Ich warte, bis alle gehen. Meine Tasche in der Hand, die zwei Handys und ein Gedanke: „Morgen wird ruhiger.“

Guter Witz. Mach dir nichts vor, meine Liebe.

Aber dieses Chaos mit Soundtrack ist wunderschön.

 

🎶Teil 5: Der sinfonische Kater (nicht Katze, sondern Rausch)

09:00 Uhr – Der Wecker klingelt. Diesmal mit dem Weckton ‚Sanftes Klavier‘, alles Lautere als ein Pizzicato wäre unerträglich für mich nach dem Konzerterlebnis von gestern Abend. War nicht Wochenende?

– 14 Nachrichten. Darunter: die الفاتورة Rechnung als Foto. Glück gehabt!

– 3 verpasste Anrufe. Hilfe!!

– 1 Sprachnachricht vom Dirigenten. Vier Minuten. Mit Intro.

– 1 Foto eines Fagotts – im Bad vergessen. Ernsthaft?

Wieder keine Ruhe.

Nur der ganz normale Wahnsinn am Tag nach einem Konzert.

 

🎼Teil 6: Montagmorgen – schon wieder ein neuer verrückter Tag

10:00 Uhr – Wieder Probe. Mahler. Nein – Entschuldigung, mein Fehler! Heute: Schostakowitsch. Mit dem Dirigenten, der das Programm ändern will – Sie erinnern sich? – außerhalb der Fristen.

Mein Handy klingelt: Der Solo-Oboist meldet sich krank, mit 40 Fieber, ganze Woche Ausfall. Mein Puls springt auf 180. Nicht irgendein Tutti-Geiger – der erste Oboist!

Ich blicke zu meinen Kolleginnen – die eine mit Kaffee in der Hand, die andere mit Plan B, C, D. Ich mit meiner runden Brille à la Harry Potter. Unsere Handys vibrieren im Pulstakt.

Aber wir lächeln. Immer. Na gut, fast immer.

Wir kriegen das hin. Irgendwie.

Ein Orchester zu managen, ist ein Hochleistungssport – zwischen Partituren, Egos, Budgets und logistischen Wundern. Es heißt, Premieren zu überstehen, ohne die Ruhe zu verlieren (oder die Nummer vom Taxi-Unternehmen). Aber es ist ein Privileg.

Und nochmals: Am Ende lohnt es sich. Immer.

Die Musik gewinnt am Ende immer alle für sich.

 

📝Haftungsausschluss

Alle Figuren und Handlungen in diesem Text sind frei erfunden. Besonders die beiden Blondinen. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind reiner Zufall.

❤️Liebeserklärung

Ich liebe mein Orchester – das Orquesta Filarmónica de Gran Canaria –, seine Musiker:innen, Techniker:innen, Verwaltung, Künstlerisches und Produktionsteam. Ich bin jeden Tag dankbar, Teil dieser Familie sein zu dürfen.

⚠️Warnung

Achtung: Teil II ist schon in Planung – „Überraschende Krankheitsfälle von Solisten im Alltag eines Orchestermanagers“.

 

Nicole Martín Medina

Las Palmas de Gran Canaria

Mai 2025

(Original Spanisch, Übersetzung Deepl, Revision NMM)

 

 

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